Hedwig Dohm: Sommerlieben. Freiluftnovelle [OT: Kinder, Tanten und allerhand Leute]

Hedwig Dohm war eine vor allem im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts recht bekannte Journalistin und Autorin. (Sie war auch – nebenbei gesagt – die Großmutter jener Katia von Pringsheim, die den aufstrebenden Schriftsteller Thomas Mann geheiratet hatte, und somit die Urgroßmutter von Klaus und Erika Mann, die offenbar ihre pamphletistisch-journalistisch-belletristische Tripel-Begabung geerbt hatten) Hedwig Dohm ihrerseits schrieb ihre Sachtexte vor allem über und für die Rechte der Frauen: Wahl- und Stimmrecht; das Recht der Mädchen und jungen Frauen auf eine abgeschlossene Schuldbildung und auf eine Berufsausbildung; das Recht einer Frau zu heiraten, wen sie will, und dann auch das Recht, sich von einem Partner oder Gatten zu trennen oder scheiden zu lassen, ohne dass dies für sie (finanzielle) Nachteile nach sich zöge; das Recht, ihren Beruf weiter auszuüben, auch wenn sie Kinder hat (was eine ausgedehnte und großzügige staatliche Kinderbetreuung in speziellen Tagesstätten bedeutet, wofür sie sich einsetzte). Neben ihren Sachbüchern schrieb sie aber auch immer wieder Belletristik. Auffallend ist dabei, dass in ihren Romanen und Novellen das Thema der Frauenemanzipation eine höchst untergeordnete Rolle spielt.

Solch ein belletristisches Werk haben wir nun vor uns. 1909 als Kinder, Tanten und allerhand Leute im Novellen-Zyklus Sommerlieben zuerst veröffentlicht, wurde es, wie es scheint, speziell für die Reihe Büchergilde unterwegs, herausgezogen und unter dem Titel des Zyklus neu veröffentlicht. In Briefen an ihren Schwager beschreibt darin eine 35-jährige, unverheiratete Frau ihren Sommerurlaub in Usedom. Diesem Schwager ist soeben seine Frau (also die Schwester der Ich-Erzählerin) weggelaufen. Das ist der Grund, warum später auch noch dessen Kinder (also die Nichten und Neffen der Ich-Erzählerin) zur Protagonistin stossen. Es geschieht wenig bis nichts in diesen Tagen am Meer – die üblichen seltsamen Gestalten, denen man im Urlaub unweigerlich begegnet; die Einheimischen, die alles unternehmen, um die Touristen übers Ohr zu hauen, courant normal halt. Dohm zeigt in ihrem Text eine gut entwickelte satirische Ader, ohne ihre Satire allerdings auf die Spitze zu treiben.

Gesellschaftskritische Töne finden wir nämlich kaum. Das Maximum der Gefühle (wie meine Großmutter zu sagen pflegte) stellt dabei einerseits die Betrachtung der Briefschreiberin dar, dass sie, die 35-jährige Unverheiratete als solche allgemein für eine alte Jungfer gilt, hier auf Usedom fälschlich für eine Witwe gehalten wird – und zwar für eine junge Witwe … Das Weglaufen der Schwester wird nämlich zwar konstatiert, aber nie problematisiert. Andererseits ärgert sie sich darüber, dass ihre dunkelhaarigen Nichten und Neffen von Einheimischen wie Urlaubern als semitisch beschimpft werden – ohne allerdings das Thema zu vertiefen.

Alles in allem eine nette kleine Novelle, deren Handlungsort allerdings irgendein Ostsee-, Nordsee- oder Südseebad sein könnte – Lokalkolorit findet sich keines. Jede Buchhandlung würde dieses Büchlein als Sommer- und Strandlektüre empfehlen. Zu Recht.

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