Johann Jakob Spreng: Allgemeines deutsches Glossarium. Ein historisch-etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Band 6. R – T

Warum ich ein Glossarium, also ein Wörterbuch, bandweise von vorn nach hinten lese, habe ich in meinen Ausführungen zum ersten Band von Sprengs Glossarium bereits geschrieben. (Eigentlich „lese“ ich ja nicht. Ich blättere, lasse meine Augen über durch die Spalten schweifen, und wenn mir ein Wort als interessant auffällt, lese ich den Eintrag. Und natürlich lese ich viel mehr, als ich hier rapportiere.) In meinen Ausführungen zum ersten Band steht auch alles Nötige zur Entstehungs- und Publikationsgeschichte dieses Werks. Das werde ich also nicht mehr wiederholen.

Stürzen wir uns also gleich in Band 6, den zweitletzten:

Da sind Wörter, bei denen man zunächst glaubt, es handle sich um Schimpfwörter. Zum Beispiel:

Redgosche, heisßt in Schwaben so viel als ein trefflicher Redner oder güldener Mund, Chrysostomus. Mit disem Namen pflegt man daselbst noch wirklich einen gewissen hochverdienten Herrn Bürgermeister zu unterscheiden.

Dann jene Wörter, die heute modernste Technologie beschreiben, aber schon Jahrhunderte alt sind. Auch wenn das Wort ursprünglich nicht aus der deutschen Sprache stammt, ist es doch schon lange vor dem 20. Jahrhundert wenigstens in einigen Gebieten adoptiert worden:

Robat, Robet, {Robot} oder Robold, (die,) Frondienst, Scharwerk, Poln. Robota. Robaten werden dergleichen Dienste sonderlich in Böhmen, Oesterreich und Schlesien genennet. (J. L. Fr. und Jabl.) Hand- oder Zugrobat. (österr. Jägerord. § 32.)

Davon auch, wie er gleich im nächsten Stichwort ausführt, die Fröner selber: Robat.

Das Folgende klingt heute obszöner, als es für Spreng offensichtlich noch der Fall war, denn er markiert es nicht mit dem Zeichen der Venus (♀):

*Sackbruch, hernia scrotalis, hernia veneris, wenn die Hoden ob nimium veneris übernatürlich grosß und dick werden.

Ein schelmisches Lächeln? Klingt doch hübsch und ist heute nachgerade zu einer stehenden Wendung geworden. Hübsch? – Denkste.

schelmisch, schölmisch, riechend wie ein Aasß. „Du solt dich von herzen erfreuen, so dir got mit dem tode ab wil helfen der burden mit mist die du an dir treist dz din fuler lÿb, din schölmischer, stinkender lÿb.“ (Geil. Pilg. Bl. 72.)

Schiller, das wissen wir alle, konnte dichten. Und er konnte auch reimen. Aber konnte er Schillerreime verfassen?

Schillerreime, *Schielreime, oder Blankverse, reimfreÿe Verse

Womit einwandfrei feststeht: Schiller konnte Schillerreime verfassen …

Das folgende Wort kennen wir aus der Biografie des Joseph von Hammer-Purgstall, der seine Karriere als ebensolcher begonnen hat:

Sprachknaben, seÿn sechs junge Leute, die auf Kosten des römischen Keisers in Fridenszeiten die türkische Sprache zu Konstantinopel erlernen.

Dann wieder einmal einer der Fälle, bei denen die weitere Entwicklung der deutschen Sprache dem Sprachpuristen Unrecht gegeben hat:

*Strähl, (der) Werkzeug zum Har schlichten; besser Deutsch als Kamm. s. strählen

Ich weiß gerade nicht, wie weit dieses Wort außerhalb der Schweiz bekannt ist. Hierzulande allerdings verwendet in der gesprochenen Sprache kein Mensch das Wort ‚Kamm‘. Aber das wäre einer der Fälle, wo man allenfalls vermuten darf, dass – wenn Spreng sein Glossarium hätte veröffentlichen können (und zwar noch vor Adelung) der standarddeutsche Begriff für dieses Instrument der Körperpflege vielleicht wirklich ein anderer hätte sein können.

Summa summarum: Auch in Band 6 habe ich mich wieder königlich amüsiert.


Heinrich Löffler (Hg.): Johann Jakob Spreng: Allgemeines deutsches Glossarium. Ein historisch-etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Band 6. R – T. In Zusammenarbeit mit Suzanne de Roche, unter Mitarbeit von Willy Elmer, Mathilde Gyger, Christof Meissburger und Michael Saave (Transkription), sowie Gabriel Schaffter (Recherche, Koordination). In Verbindung mit der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Basel unter der Leitung von Ueli Dill. Basel: Schwabe, 2022.

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