Netzpolitischer Abend zum Thema Metaverse und NFT

Teil der Fassade des Gebäudes Kirchgasse 14 in Zürich mit der goldenen Aufschrift "KARL DER GROSSE". Eigene Fotografie.

Nach langer Zeit war ich gestern wieder einmal in „offizieller“ Mission in Zürich. Dieses Mal ging es um einen Anlass, der den Titel trug, den ich auch meinem Aperçu hier gebe. Er fand im Debattierhaus (wie es sich selber auf seiner Homepage nennt) Karl der Grosse statt. Dieses steht immer noch am selben Platz in Zürich, auch wenn auf einer Seite aus Karl dem Grossen durch darüber gehängte Buchstaben eine Karla die Grosse geworden ist. (Es ist zufälligerweise die Seite, die sich auf der Fotografie befindet, die ich dem Aperçu voran gestellt habe; auf Grund der Lichtverhältnisse, die um diese Jahreszeit am Abend herrschen, konnte ich aber kein neues Bild schießen.)

Der Anlass wurde organisiert vom Verein Digitale Gesellschaft, der es sich auf die Fahnen geschrieben hat, der Politik bei ihrem Umgang mit unseren Daten ein wenig auf die Finger zu schauen – was per se keine schlechte Idee ist. Im vorliegenden Fall ist der Aufhänger eine (auch von Main Stream Medien (was immer das ist) prominent berichtete) Meldung, nach der die Pro Senectute beider Basel ihren «Swiss Crypto Marvels»-NFT gestartet und kurz davor auch ihr Metaverse-Engagement bekanntgegeben hat. Das wurde dann kritisch aufgenommen vom Journalisten Marcel Waldvogel (der auch durch den Abend führte) in einem Artikel mit dem Titel Verjüngung für die Pro Senectute durch NFT und Metaverse? auf dem Blog dnip.ch. Auf dem Internet-Kurznachrichten-Dienst Mastodon wurde ich auf den Artikel aufmerksam und habe ihn durchgelesen. Ich war ein bisschen entsetzt darüber – nicht, weil Waldvogel es wagte, die Pro Senectute zu kritisieren, sondern weil er hier (wohl in der löblichen Absicht, den Artikel lesbar und ‚süffig‘ zu machen) eine Karikatur jener Gruppe von Personen liefert, die man heute euphemistisch „Senior:innen“ nennt. Sie werden von ihm konsequent und süffisant von oben herab als völlig unbedarft in Sachen IT dargestellt, und das Engagement der Pro Senectute im Metaverse auf dieser Basis als unnötig und überflüssig erklärt. Nun, es gibt sicherlich „Senior:innen“, die mit IT und Internet wenig bis gar nichts am Hut haben, aber Jahrzehnte im IT-Support haben mich gelehrt, dass es auch 20-Jährige gibt, die kaum Ahnung haben, wie eine Computermaus funktioniert, obwohl sie es von Berufs wegen wissen sollten. Die Zeit im Support hat mich auch gelehrt, dass es sich „IT-Spezialisten“ nennende Personen gibt, die völlig hilflos dastehen, wenn in einer Client-Server-Umgebung eine SQL-Datenbank installiert werden soll (es selbst mit schriftlicher Anleitung nicht schaffen) – von Remote Desktop Installationen wie Citrix ganz zu schweigen.

Nun zum eigentlichen Abend:

Der Referent verzichtete glücklicherweise auf allzu viele Anspielungen auf die Pro Senectute und versuchte dafür, den Anwesenden die Fallstricke aufzuzeigen, die sich im Konzept NFT verbergen. Da jedes NFT ein Programm ist – so seine Ausführungen kurz zusammengefasst – wird in diesem Programm ganz sicher ein Fehler stecken. Man kann den Fehler nun einfach sein lassen, auf die Gefahr hin, dass das NFT eines Tages unbrauchbar wird. Oder man kann ihn korrigieren, auf die Gefahr hin, dass das korrigierte NFT nicht mehr das ursprünglich verkaufte ist (und, da es immer noch ein Programm ist, einfach einen anderen Fehler aufweist). Anders gesagt: Ich bin als Käufer:in eines NFT so oder so dem Host meines NFT und dessen Programmierung ausgeliefert. Und da sich NFT und Kryptowährungen rühmen, in einem rechtsfreien Raum zu wirken, wo nur das Programm zählt, kann ich als Käufer:in auch nichts unternehmen. Das Vorgehen der Pro Senectute beider Basel hält er aus diesem Grund für ziemlich riskant.

An das Referat schlossen dann noch zwei Diskussionen an, zunächst eine zwischen Referent und Moderator, dann eine mit dem Publikum. Beide Diskussionen brachten – zumindest mir persönlich – wenig und ich bin dann, zugegebenermaßen wenig höflich, aus der Diskussion weggelaufen, weil mir meine Wetter-App auf dem Smartphone mit einer heftigen Regenzone drohte, die ich vermeiden wollte. (Was ich dann auch geschafft habe.)

Alles in allem aber durchaus ein Thema, mit dem sich näher zu beschäftigen sicher lohnt.


Ein paar Worterklärungen vielleicht noch für weniger IT-Affine und für Nicht-Schweizer:

  • NFT (= Non Fungible Token) ist gemäß Wikipedia ein „kryptografisch eindeutiges, unteilbares, unersetzbares und überprüfbares Token, das einen bestimmten Gegenstand, sei er digital oder physisch, […] repräsentiert“. Es sind aktuell, glaube ich, vor allem Kunstwerke, die so existieren.
  • Metaverse oder Metaversum ist eine Art virtueller Spiegelung der ‚realen‘ Welt, in der soziale Kontakte, aber eben zum Beispiel auch der Kauf von (virtuellem) Land möglich ist. (Ich erinnere mich gut, wie ich zum ersten Mal davon hörte: Noch bevor das Ganze Metaversum hieß, hatten wir im Klassikerforum ein über 80-jähriges Mitglied, das sich regelmäßig dort – ich glaube, auf Second Life – aufhielt, um nach dem Tod seiner Frau seinen Mangel an ‚realen‘ Kontakten mit virtuellen auszugleichen. Ich habe lange nichts mehr von ihm gehört; ich vermute, er ist in der Zwischenzeit verstorben.)
  • Bei der Pro Senectute handelt es sich um eine Schweizer Stiftung, die sich als Fach- und Dienstleistungsorganisation für Altersfragen versteht. 1917 gegründet, setzt sie sich für das Wohl, die Würde und die Rechte älterer Menschen ein. Sie ist föderalistisch aufgebaut – praktisch jeder Kanton hat seine eigene Pro Senectute. Diese Kantonalorganisationen sind, rechtlich gesehen, selbständige Stiftungen (weshalb denn auch die Pro Senectute beider Basel auf eigene Faust beschließen konnte, sich ins Metaverse zu begeben und an NFT zu wagen).

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