Lord Dunsany: Die Königstochter aus Elfenland [The King of Elfland’s Daughter]

Das Bild ist in der Mitte zweigeteilt. Links ein Teich, Schilf und zwei Enten, die auffliegen; rechts ein Fluss und im Vordergrund zwei blaue Blumen und ein Schmetterling. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Das 1924 erstmals erschienene The King of Elfland’s Daughter gilt in England als wegweisend für die so genannte ‚High Fantasy‘ – Fantasy, die sich mit Welten beschäftigt, deren Gesetze (auch die physikalischen) völlig anders sind als alles, was wir kennen. Dennoch ist selbst dort dieser Roman etwas aus dem Blick des Publikums verschwunden, auch wenn er noch vor gar nicht so langer Zeit (1969 bzw. 2001) in Serien wie Ballantine Adult Fantasy oder Fantasy Masterworks wieder veröffentlicht wurde. Die deutsche Übersetzung von Hans Wollschläger wurde erstmals 1978 bei Klett-Cotta veröffentlicht, wurde später in der so genannten Hobbit Presse wieder aufgelegt und ist heute noch dort in der 2. Auflage im Buchhandel erhältlich – ein wirklicher Erfolg war sie also nicht, obwohl kein geringerer als Walter Jens (wenn ich mich denn richtig erinnere) Wollschlägers Sprache sehr gelobt hat. Dies völlig zu Recht übrigens; Wollschlägers Mischung aus der Sprache eines mittelalterlichen Heldenepos und des romantischen Märchens trifft die Stimmung des Romans ausgezeichnet. Vor allem auch, weil er dabei auf eine übertriebene Archaisierung verzichtet. Vor mir liegt die erste Auflage der Ausgabe der Hobbit Presse, die ich 2007 extra bestellt haben muss, vom Aufkleber zu schließen, den die Buchhandlung drauf gepappt hat..

Der mangelnde Erfolg ist meiner Meinung nach vor allem darauf zurückzuführen, dass der Roman zwar ein fremdes, seltsames Elfenland einführt, aber auf seltsame Völker oder nun gar Völkerschlachten fast völlig verzichtet, wie sie die Lesenden seit J. R. R. Tolkien und später G. R. R. Martin kennen und spätestens seit deren Verfilmung heiß lieben. Die Elfen (es scheint sowieso nur den König und seine Tochter zu geben) sehen aus, denken und handeln wie Menschen, und außer ihnen treffen wir nur noch auf Wesen, die wir auch aus anderen Sagen kennen: Einhörner, Trolle und Irrlichter. Dass der Klett-Cotta das Buch später in seiner Reihe Hobbit Presse veröffentlicht hat, hat sicher das Publikum in seinen falschen Erwartungen noch bestärkt.

Denn wohl zieht bei Lord Dunsany der Sohn des Herrschers über Erl (eine fiktive Landschaft, die dem mittelalterlichen England nachempfunden ist) auf Quest, um die Königstochter aus dem benachbarten Elfenland als Gemahlin heimzuführen. Dies auf Wunsch des Parlaments der Einwohner von Erl, das einen Magier als Herrscher wünscht. Wohl gibt der alte Herrscher seinem Sohn sein eigenes Schwert – das beste, das in der Menschenwelt erhältlich ist. Der Sohn weiß aber, dass mit diesem Schwert keine Elfenprinzessin zu erobern ist. Bei einer Zauberin lässt er sich ein magisches Schwert aus Donnerkeilen gießen. Damit gelingt es ihm tatsächlich, ins Elfenland einzudringen. Allerdings verwundet er auf dem Weg zur Prinzessin ‚nur‘ ein paar Bäume und tötet die vier Wächter des Schlosses. Das ist denn auch das Maximum an ‚Action‘, das wir vorfinden. Es gelingt Alveric (so heißt der junge Mann), mit der Königstochter in seine Heimat zurückzukehren. Dort zeigt es sich, dass sein Vater seit langem tot ist – im Elfenland vergeht die Zeit ungeheuer viel langsamer als bei den Menschen. Was für Alveric die Abenteuer eines Morgens waren, dauerte bei den Menschen Jahre.

Lord Dunsany aber will keine ‚Action’-reiche Fantasy schreiben, jedenfalls dieses Mal nicht. Es geht ihm vielmehr um eine Auseinandersetzung mit dem Märchenhaften, dem Zauberhaften – nicht zuletzt also mit dem Märchen als solchem, egal ob Volks- oder Kunstmärchen. Nur ein unbedingter Glaube ans Märchen vermag dem Menschen das Glück zu bringen. Manchmal. So erleben wir im Folgenden, wie Alveric ‚verbauert‘ bzw. ‚verbürgerlicht‘. Von einem Magier auf dem Thron keine Spur. Im Gegenteil, er unternimmt alles, um seiner Gemahlin die in Erl herrschende Religion beizubringen. Diese Religion, vertreten durch einen absolut intoleranten Befreier(!), stößt die Elfenfrau aber derart ab, dass sie sich – trotz des Umstands, dass da unterdessen ein Sohn geboren wurde – zurück zu ihrem Vater ins Elfenland wünscht. Es gelingt ihr denn auch zurückzukehren. Und Alveric geht zum zweiten Mal auf Quest. Dieses Mal aber kann er nicht mehr ins Elfenland eindringen. Da der zaubermächtige Elfenkönig nun von Alverics magischem Schwert weiß, gelingt es ihm, die Grenzen von Elfenland jedes Mal vor dem Menschen zurückweichen zu lassen, so, dass Alveric nur durch eine wasserlose Steinwüste irrt.

Der Sohn der beiden, namens Orion, übernimmt de facto die Herrschaft von seinem vagabundierenden Vater. Er stellt sich als passionierter Jäger heraus. (Wie übrigens Dunsany selber einer war!) Zunächst sind die Bewohner und Bewohnerinnen von Erl recht zufrieden damit. Orions Großvater war Jäger und dessen Vater ebenfalls – die Jagd ist also durchaus etwas, das einem Herrscher von Erl ziemt. Doch diese Zufriedenheit dauert nicht lange – abermals scheint kein Magier auf dem Thron zu sitzen. Zwar gelingt es Orion, ein Einhorn zu erjagen (die kommen manchmal an der Grenze zwischen Elfenland und Menschenwelt auf die andere Seite – auch für Zaubergeschöpfe ist das Gras auf der anderen Seite des Zauns grüner!), aber das wird bald angezweifelt. (Während Dunsany in einer wunderhübschen auktoriellen Schleife davon berichtet, dass der Kopf dieses Einhorns, Orions Trophäe, später bei Papst Paul III. landete und sich Benvenuto Cellini nach eigenen Mitteilungen bei ihm um den Auftrag beworben habe, das Horn zu vergolden, so die fiktive Menschenwelt des Romans mit der tatsächlichen verbindend.)

Das Ganze kennt natürlich ein Happy Ending, indem der Elfenkönig seinen letzten mächtigen magischen Spruch aufbraucht, der eigentlich sein Land davor hätte schützen sollen, je von den Menschen eingenommen und zum Verschwinden gebracht zu werden. Womit Elfenlands Untergang natürlich vorprogrammiert ist – aber was tut ein Vater nicht alles, um seine Tochter glücklich zu machen …

Die Königstochter aus Elfenland ist sicher keine ‚Hochgebirgsliteratur‘, aber ein passabler Zeitvertreib allemal – sofern man beim Wort ‚Fantasy‘ nicht auf blutige Schlachten seltsamer Völker spekuliert.

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