Gotthold Ephraim Lessing: Sinngedichte

Schwarzer Druck. Auf blauem Hintergrund mit weißen Punkten (d.i. die Struktur des Leineneinbands) stehen links und rechts ein Teil des Rankenwerks eines Jugendstil-Rahmens, in der Mitte in Jugendstil-Lettern das Wort "Lessing". - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Sinngedichte vom Meister höchst persönlich … Ergo: Sinngedichte vom Feinsten. Wohl kaum einer hat so knappe und treffende Sinngedichte verfasst wie Gotthold Ephraim Lessing – auch wenn man sie später meist Epigramme nannte: Selbst Erich Kästner oder dessen von Lessing sogar zitierter Namensvetter der Aufklärungs-Zeit, Abraham Gotthelf Kästner, der heute leider hinter Lichtenberg und eben unserem Lessing hier verschwunden ist, kamen nicht an ihn heran. Von Lessing stammt auch die Definition, wonach das Epigramm nach Art der eigentlichen Aufschrift, unsere Aufmerksamkeit und Neugierde auf irgend einen einzelnen Gegenstand erregt, und mehr oder weniger hingehalten werden, um sie mit eins zu befriedigen. Mit anderen Worten (und Lessing war einer der ersten, der dieses Wort in die deutsche Sprache einführte): Ein Epigramm hat eine Pointe. Ich wage gar zu behaupten, dass die besten Epigramme sogar eine Überpointe haben – ein Ausdruck, den ich vor Jahren einmal beim bereits erwähnten Erich Kästner gefunden habe, und den er eigentlich auf das Chanson im damaligen Kabarett angewendet hat, wo jede Strophe eine Pointe hatte und die letzte Strophe gar eben diese Überpointe – womit Kästner nichts anderes meinte, als dass die letzte Strophe mit ihrer Pointe alle anderen Strophen übertreffen und / oder ad absurdum führen sollte. Epigramme haben keine Strophen, aber sie sind in Versform gehalten und so kommt es bei den besten vor, dass jeder Vers (oder gar jede Zeile) seine eigene Pointe hat, die im letzten Vers, der letzten Zeile, übertroffen und / oder ad absurdum geführt wird.

Lessings Sinngedichte sind nicht unbedingt in Distichen gehalten, aber sie haben alle ihre Pointe. Es handelt sich bei ihnen um kurz gefasste Typen-Satiren – will sagen: Der Autor macht sich lustig über den Dichterling wie über den vermeintlichen Frauenhelden, über die törichten Hausfrauen ebenso wie über die gehörnten Gatten. Dabei unterlaufen ihm auch Sinngedichte, die man heute so nicht mehr schreiben dürfte – vor allem misogyne Texte finden wir ein paar.

Das aber wird wieder wettgemacht durch solche Epigramme wie dieses hier:

In ein Stammbuch,
dessen Besitzer versicherte, daß sein Freund ohne Mängel und sein Mädchen ein Engel sei.

Trau keinem Freunde sonder Mängel,
Und lieb ein Mädchen, keinen Engel.

Und natürlich das zumindest dem Leser klassischer Literatur wohl bekannte, mutatis mutandis aber auch auf heutige Autor:innen anwendbare

Die Sinngedichte an den Leser.

Wer wird nicht einen Klopstock loben?
Doch wird ihn jeder lesen? – Nein.
Wir wollen weniger erhoben,
und fleißiger gelesen sein.

Dem habe ich nichts hinzuzufügen.

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