Joseph Haydn: Sinfonie Nr. 92 G-Dur, Hob I:92 «Oxford» / Carl Philipp Emanuel Bach: Konzert für Violoncello, Streicher und Basso continuo A-Dur, Wq 172 / Franz Schubert: Sinfonie Nr. 2 B-Dur, D 125

Vor einem blauen Himmel steht links ein Baum und in der Mitte die Spitze eines Springbrunnens, der gerade Wasser spritzt. Rechts sehen wir einen Teil der Fassade eines klassizistischen Gebäudes. Eigene Fotografie.

Hiermit eröffnen wir die Konzertsaison 2024/25 im Rahmen meines kleinen Abonnements. Klassisch. Und das in jedem Sinn des Wortes, nämlich: E-Musik (im Gegensatz zur U-Musik – ein Unterschied, der in dieser Schärfe wohl nur im deutschen Sprachraum gilt); dann auch = alte E-Musik, will sagen: aus dem 18. und 19. Jahrhundert; schließlich im engeren musikgeschichtlichen Sinn aus der so genannten Wiener Klassik, bzw. sich damit auseinander setzend oder darauf hinführend. Geleitet wurde das Orchester von Andreas Ottensamer, der auch als Solo-Klarinettist bekannt ist.

Als Solist am Violoncello hörten wir Jean-Guihen Queyras, der nebenbei auch einem renommierten Klaviertrio angehört. Das Programm begann – musikgeschichtlich nicht ganz korrekt – mit dem ‚Klassiker‘ Haydn um dann noch vor der Pause zu Carl Philipp Emanuel Bach zurückzukehren, dem zweitältesten Sohn des großen Johann Sebastian, der nicht nur bis heute der bekannteste der Bach-Söhne geblieben ist sondern zu Lebzeiten gar bedeutend bekannter war als sein Vater. Mit ihm erleben wir den Übergang vom Barock zur Klassik. Nach der Pause dann noch ein Jugendwerk Schuberts, in dem der spätere Romantiker noch stark unter dem Einfluss von Mozart und Haydn steht. Wir drehen uns an diesem Abend also tatsächlich um die Klassik im musikgeschichtlichen Sinn.

Lassen wir den Abend kurz im Detail Revue passieren:

Den Anfang machte, wie schon geschrieben, Haydns Sinfonie Nr. 92. Sie trägt den Namen «Oxford», weil Haydn sie 1791 komponierte zur Feier der Verleihung einer Ehrendoktor-Würde durch die Universität Oxford. Viele finden denn auch, dass sie einen hohen, fast akademischen Bildungsgrad aufweise. Klingt fast zu gut, um wahr zu sein? – Ist es auch. Tatsächlich entstand diese Sinfonie, als Haydn gerade daran war, seinen Arbeitsvertrag mit der Familie Esterházy neu zu verhandeln, und er wollte damit auch weitere mögliche Mäzene auf sich aufmerksam machen. Zu seinem Ehrendoktor bzw. der Universität von Oxford besteht keine Verbindung. Den akademischen Bildungsgrad, einen fast mathematischen Aufbau, kann man allerdings unter dem Hören tatsächlich festmachen. Haydn demonstrierte hier sein ganzes Können.

(Im Übrigen finde ich es immer interessant, bei solchen Aufführungen dem Dirigenten bzw. der Dirigentin zuzuschauen. Jede/r hat so seinen eigenen Stil. Da gibt es die, die Arme und Hände rund und flüssig bewegen. Wenn ich ihnen zuschaue, werde ich immer sehr an schwimmende Fische oder Otter erinnert. Dann gibt es die zackigen, die ruckweise Arme und Hände betätigen und mich deshalb immer an die Darstellung von Robotern in den schlechten frühen Science Fiction-Filmen aus Hollywood erinnern. Ottensamer gehört in diese zweite Kategorie. Dachte ich.)

Für die zweite Sinfonie vor der Pause wurde kurz umgeräumt. Das Orchester wurde verkleinert, und Platz gemacht für ein Spinett und – vor allem natürlich – für den Solisten. Carl Philipp Emanuel Bachs Cellokonzert beginnt ganz leise und lieblich – bereits auf Mozart voraus deutend und auf die Romantik. Das Solo-Cello zerstört aber diesen Eindruck wieder. Fast brachial und gewalttätig klingt es nach diesem Anfang – zumindest in meinen Ohren. So etwas ist nun weniger mein Ding und nicht, was ich erwartet hatte. Aber weil Jean-Guihen Queyras halt doch ein höchst begabter Techniker ist, spendeten das Publikum und ich langanhaltenden Applaus. Schließlich gab es noch eine Zugabe: Das Prélude aus der Cello Suite N° 1 i von Bach, wie es Jean-Guihen Queyras ganz einfach ankündigte und damit dieses Mal Johann Sebastian meinte. Und da war nun, was ich mir erhofft hatte: Die Leichtigkeit und Verspieltheit, die eigentlich nur ein Streichinstrument hinkriegt – mein ganz persönlicher Gänsehaut-Moment. Ich mag ein musikalischer Banause sein, aber mir ist Vater Bach lieber als sein Sohn.

Jetzt kommt eine Pause
Manche geh’n nach Hause
Manche trinken Brause
Das ist der Zweck der Pause!

(Um den, wie ich finde, auch für eine Orchester-Aufführung passenden Opern-Boogie von Georg Kreisler einmal anzubringen. Ich habe niemand nach Hause gehen sehen, aber tatsächlich sah ich eine Dame, die eine Brause – also eigentlich eine Limonade – kaufte und ein Glas dazu erhielt. Sie teilte Glas und Brause dann ehepärlich mit ihrem Mann.)

Nach der Brause … äh … Pause dann noch Schubert. Seine zweite Sinfonie komponierte er mit 18 Jahren. Das merkt man denn auch. Seine Schwierigkeiten allerdings, überhaupt in die Sinfonie hineinzufinden, sollte nachgerade zu seinem Markenzeichen werden. In der zweiten Sinfonie nimmt er drei Mal Anlauf, bis es ihm gelingt. (Er sollte später noch längere Einleitungen komponieren und war so mit Schuld daran, dass von der Romantik an die Sinfonien immer länger wurden und dann locker 40 bis 60 Minuten dauern konnten. Diese hier war doch etwas kürzer.) Dass er noch ganz am Anfang seiner musikalischen Laufbahn und seines Könnens stand, merkte man der Sinfonie auch sonst an. Immer wieder wurde ich an Mozart erinnert, manchmal auch an Hadyn. Allerdings gab es bereits einige Passagen, in denen sich der zukünftige Meister des Kunstlieds andeutete.

(Und siehe da: Entweder hatte sich bei ihm die innere Anspannung vor einem Konzert gelöst, oder es war tatsächlich das Fließend-Fröhliche der Schubert’schen Sinfonie – nach der Pause waren die Bewegungen des Dirigenten plötzlich rund und flüssig. Eine solche Verwandlung habe ich noch nie gesehen …)

So war Schuberts Sinfonie im Ganzen gesehen (bzw. gehört) in ihrer meist fröhlichen Art (wie es sich für eine Dur-Tonart gehört) ein guter Abschluss des Konzerts und das Publikum und ich spendeten abermals ausgiebigen Applaus. Zufrieden gingen nun wirklich alle nach Hause.

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