Guillaume Apollinaire: Liebesgedichte

drei orange Linien auf rotem Untergrund, die von einer weißen gekreuzt werden

Das vorliegende schmale Bändchen umfasst etwas mehr als 100 Seiten. Es wird darin ein chronologisch geordneter Querschnitt durch Apollinaires Lyrik gegeben, an Hand seiner Liebeslyrik. Apollinaire war ein großer Autor von Liebesgedichten. Meist waren sie an eine bestimmte Frau gerichtet, in die Apollinaire dann auch tatsächlich verliebt war. In vielen Fällen war diese Liebe aber einseitig auf Seiten des Dichters, weshalb wir in seinen Gedichten immer wieder die Figur des mal-aimé finden, des schlecht (oder gar nicht) Geliebten. Das gibt den Gedichten den für Apollinaire typischen melancholischen Unterton.

Daneben ist auch von Anfang an die für Apollinaire typische Interpunktion zu finden – bzw. das völlige Fehlen einer solchen. Das macht viele Gedichte mehrdeutig, da nicht immer klar ist, was nun zu welchem Satzteil gehört. Natürlich ist das Absicht. So, wie es auch Absicht ist, dass gewisse Wörter über assoziative Querverbindungen mit zusätzlicher Bedeutung aufgeladen werden. So ist das Wort Alcools (Alkoholika) über die Assoziation Eau vive (= gebranntes Wasser, aber eben auch „lebendes Wasser“, was wiederum einen anderen Geist als den alkoholischen hervorruft, nämlich den Heiligen Geist) mit mehreren Bedeutungsschichten überzogen.

Den Ersten Weltkrieg, den Apollinaire als Soldat mitgemacht hat und in dem er schwer verwundet wurde, finden wir ebenfalls in vielen Gedichten, ebenso den Rhein, den Apollinaire (wie Alfons Paquet) weniger als Grenze zwischen Frankreich und Deutschland empfindet, sondern mehr als eine Verbindung der beiden Länder, und dem der Franzose einen ganzen Gedichtzyklus gewidmet hat. Wir finden in der vorliegenden kleinen Auswahl auch seine Übersetzung des Gedichts Lore Lay (Zu Bacharach am Rheine) von Clemens Brentano, dem er zwei eigene Schlusszeilen hinzugefügt hat.

Die Gedichte sind in ihrer Mehrdeutigkeit schwierig zu übersetzen, und so begrüße ich es, dass der Reclam-Verlag mit diesem2013 erschienen Büchlein (in der Größe eines Reclam-Hefts, aber nicht zu dieser Reihe gehörend, sondern mit festem Papp-Einband und Lesebändchen versehen) ein paar Gedichte dem deutschen Publikum in einer zweisprachigen Ausgabe (herausgegeben von Ulla Hahn, übersetzt u.a. von H. M. Enzensberger) zur Verfügung stellt. Für Lyrik-LiebhaberInnen ein Muss.

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