John Wyndham: The Day of the Triffids

Es gab eine Zeit, da war Science Fiction eine Angelegenheit der Europäer. Und noch lange unterschied sich die europäische von der US-amerikanischen durch ihre Themen und durch die Behandlung dieser Themen. So ist auch 1951 The Day of the Triffids (auf Deutsch meist einfach Die Triffids) in bewusster Abgrenzung zur US-amerikanischen “Space Opera” und ihren intergalaktischen Bösewichten entstanden, in bewusster Anlehnung an einen Klassiker der europäischen Science Fiction auch: H. G. Wells.

Womit schon gesagt ist: Es gibt in The Day of the Triffids keine Wesen aus dem Weltall und keinen zu bekämpfenden Bösewicht. Es ist vielmehr ein post-apokalyptischer Roman, in Hommage an Wells’ Krieg der Welten. Die Handlung spielt auf der Erde, in London und Umgebung. Die Handlungszeit entspricht in etwa der Entstehungszeit – wir befinden uns also im London der 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, als der Ich-Erzähler (der lange keinen Namen trägt – wozu auch? Er braucht ihn nicht.) eines Morgens im Spital aufwacht und sich wundert, dass dieser Mittwoch klingt wie ein Sonntag. Will sagen: Es ist sehr, sehr still vor den Fenstern und auch innerhalb des Spitals. Stiller sogar, wie sich der zusehends in Panik geratende Bill Masen eingestehen muss, als es an einem Sonntag wäre. Masen sieht nicht, da man ihm nach einer Augenoperation (?) die Augen zur Erholung bandagiert hat. Heute sollte der Tag sein, wo man ihm die Bandagen abnehmen wollte. Da aber überhaupt nichts passiert, und er auch sein Frühstück nicht kriegt, wagt es Masen schliesslich, sich die Bandagen selber abzunehmen.

Was er sieht, ist, dass die meisten Menschen und Tiere offenbar nichts mehr sehen. In der Nacht hatte sich ein Schauer grüner Meteoriten ereignet, dem praktisch die ganze Welt zugeschaut hatte. Was immer diese Meteoriten waren (das wird bis zum Schluss nicht aufgeklärt) – offenbar waren sie die Ursache für diese Erblindung.

Im Folgenden geht es nun darum, wie sich die paar sehend Überlebenden in dieser Welt einrichten. Verschiedene Modelle werden ausprobiert. Da ist der Sehende, der möglichst viele Blinde retten will, und deshalb andere Sehende zwingt, ihnen als Führer zu dienen, denn sie sollen Geschäfte plündern, um zu überleben, bis Hilfe von aussen kommt. Das Modell scheitert daran, dass von aussen keine Hilfe kommt, dass rivalisierende Gangs sich gegenseitig neutralisieren und vor allem daran, dass in London eine tödliche Seuche ausbricht. (Auch deren Ursprung und genaues Wesen wird nie erklärt, und anders als bei Mary Shelley taucht diese Seuche einmal auf und spielt dann keine Rolle mehr im weiteren Verlauf des Romans.) Das Modell einer christlichen Kolonie auf dem Land scheitert ebenfalls, weil die Barmherzigkeit und Nächstenliebe die paar Sehenden dazu zwingt, zu viele Blinde aufzunehmen, die zwar essen, aber zum Erwerb des Essens nichts beitragen können. Der Versuch einer überlebenden Londoner Gang, über die paar umliegenden Kolonien mit Waffengewalt eine Art feudaler Herrschaft zu errichten und von ihnen eine Art Tribut zu erheben, ist offenbar auch nur temporär erfolgreich. Allerdings muss der Ich-Erzähler ihretwegen gegen Ende hin mit seiner kleinen, familiären Kolonie seine Farm verlassen und sich vor ihnen zurückziehen. Er schliesst sich einer grösseren Kolonie an, die sich auf der Isle of Man zusammengefunden hat. Diese ist lebensfähig, weil die Zahl der Sehenden in gutem Verhältnis zu der der Blinden steht, und weil der Gründer der Kolonie darauf geachtet hat, dass die Blinden vor allem junge Frauen sind (und zur Zeit des Meteoritenschauers bereits blind waren, also gelernt hatten, in ihrer Blindheit produktiv zu sein!).

Denn er will mittels Vielweiberei möglichst viele Babies produzieren. Gut kaschiert blitzen hier natürlich sexuelle Phantasien des Autors durch – die Babies wollen ja gezeugt sein, und sozusagen legitim mit mehreren Frauen gleichzeitig schlafen zu können … Ob das Modell, das sich im Roman durchsetzt, in der Realität ebenfalls durchsetzen könnte, wage ich zu bezweifeln.

Und wo und was sind nun die Triffids? Es ist bezeichnend für Wyndham, dass der Roman im Grunde genommen sogar ohne sie funktioniert. Selbst der Protagonist und Ich-Erzähler Masen vergisst sie über weite Strecken seiner Erzählung – und mit ihm der Leser. Die Triffids sind eine Art von Pflanzen – offenbar mit einer gewissen Intelligenz ausgerüstet (sie können miteinander kommunizieren) – Pflanzen, die sogar “gehen” können. Dazu sind sie in der Lage, aus speziellen Blüten ein hochwirksames Gift zu schleudern, das auch Menschen sofort tötet. Die langsam verrottenden Leichname werden von den Triffids dann verdaut. Selbst bei ihnen bleibt letzten Endes unklar, woher sie kommen. Masen kolportiert zwar die Geschichte, dass sie in der UdSSR durch “Bio-Engeneering” hergestellt wurden. Da sie imstande sind, ein hochwertiges Öl zu liefern, werden sie in Plantagen gehalten, wo man sie an Pflöcke gebunden hält. Beim Versuch, sie ausser Landes zu schmuggeln, wurde offenbar das Schmuggelflugzeug mit den Samen abgeschossen, und die Pflanzen konnten sich über die ganze Welt verbreiten.

Es ist typisch für diesen Roman, dass sich schon beim ersten Auftauchen – lange vor der Meteoritenkatastrophe – kaum jemand über diese merkwürdigen, umherwandelnden und hochgiftigen Dinger wunderte oder gar entsetzte. Auch später, nach dem Meteoritenschauer, fällt auf, wie rasch sich die wenigen Überlebenden mit der Katastrophe einrichten, wie relativ unproblematisch ihr Leben nach kürzester Zeit wieder verläuft. (In Grossbritannien wurde für diese Art post-apokalyptischen Romans der Begriff der “cosy catastrophe” geprägt – der behaglichen Katastrophe.)

Alles in allem: John Windham (mit vollem Namen John Wyndham Parkes Lucas Beynon Harris, 1903-1969) hat nicht die schriftstellerische Kraft seines Vorbilds Wells. Dennoch darf man ihn und sein The Day of the Triffids ruhig zu den Klassikern des Genres zählen. Er erzählt intelligent und mit einem gesunden Schuss Ironie. Auch sieht er klugerweise davon ab, alles erklären zu wollen, indem er aus der Sicht eines Betroffenen erzählt, der – selbst wenn er selber als Biochemiker auf einer Triffid-Plantage arbeitete – bei weitem nicht alles weiss, nicht einmal über die Triffids. Eine leichte Obsession mit der UdSSR, die er als dunkle Bedrohung im Hintergrund von allem Geschehen vermutet, muss man einem Autor, der zum Höhepunkt des Kalten Kriegs schreibt, nachsehen.

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