1958 adaptiert Albert Camus Dostojewskijs Roman Die Dämonen für die Bühne. 1959 wurde das Stück in Paris uraufgeführt. Dostojewskijs Roman war damals in Frankreich unter dem Titel Les possédés [Die Besessenen] bekannt, eine neuere Übersetzung unter dem Titel Les démons [Die Dämonen] existierte zwar schon, hatte sich aber noch nicht durchgesetzt. Camus verwendete für seine Adaption nun zwar den Text der Neu-Übersetzung, behielt aber den alten Titel bei. (Doderers Roman scheint Camus übrigens nicht gekannt zu haben.)
Camus war der Meinung, Dostojewskij habe im Grunde genommen ein Theaterstück geschrieben, indem die Orts- und Zeitangaben, die Schilderungen der äusseren Umstände also, im Roman ebenso Andeutungen bleiben, wie sie dies als Szenenanweisungen bei einem Drama tun. Was ihm, Camus, anzupassen blieb, war, den Erzähler als eigenständige Figur auf die Bühne zu bringen, der mal vor dem Vorhang dem Publikum referiert, mal als mitwirkende Figur auf der Bühne die Rolle des Vertrauten einer Figur übernimmt. (Was dann ein bisschen an Thornton Wilders Our Little Town / Unsere kleine Stadt erinnert.)
Somit bleibt Camus dem Aufbau und dem Geschehen des russischen Romans sehr treu. Unumgängliche Kürzungen (das Stück dauerte auch so bei der Hauptprobe der Uraufführung über vier Stunden!), unumgängliche Kürzungen also am Roman führen dennoch dazu, dass Camus seine eigenen Akzente setzen muss. Er konzentriert sich auf Stawrogin und auf Werchowenski, und stellt mit ihnen zwei Existenzformen des Extremen vor. Stawrogin ist der Nihilist, der an nichts glaubt, nach eigenem Geständnis ein ironisches Leben geführt hat. Worunter er wohl versteht, dass seine Handlungen gegen aussen mit seinen Überzeugungen gegen innen nicht kongruent sind. Denn er ist ein Nihilist, der an das Nichts glaubt, dessen Ideal das Nichts ist. Werchowenski auf der andern Seite gibt sich revolutionär, predigt den Glauben an ein Russland und an ein neues, neu erfülltes Zarentum. Doch im Grunde genommen ist er der, der nichts glaubt. Ein Wendehals, der alles zum eigenen Vorteil zu drehen weiss. Ein geschickter Manipulator seiner Umwelt. Und so ist es zum Schluss – wie bei Dostojewskij – Stawrogin, der sich erhängt, und Werchowenski, der in einem Zugabteil erster Klasse aus Russland flieht.
Ob das Stück heute noch aufgeführt werden könnte, bezweifle ich ein wenig. Der Existenzialismus ist vorbei. Camus‘ Einschätzung, dass Dostojewskij der eigentliche Prophet des 20. Jahrhunderts gewesen sei, und nicht Marx, hat sich als unhaltbar erwiesen. Der Stern Nietzsches, an dem sich Camus ebenfalls noch gerieben hat, ist ebenso verblasst.
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