Ferdinand Beneke: Die Tagebücher. III/2: 1814-1816

Obwohl er ebenso drei Jahre umfasst wie III/1, ist III/2 nur etwa halb so dick. Das liegt wohl daran, dass sich die politischen Ereignisse beruhigen. Zwar wird Hamburg erst einige Zeit nach dem Einmarsch der Verbündeten in Paris von den französischen Truppen verlassen, aber danach können die Hamburger, kann Beneke, wieder daran denken, sich in der neuen Zeit einzurichten. Das geht zwar genau so wenig ohne Querelen ab, wie die Besatzungszeit. Beneke gehört zur Fraktion derer, die eine Rückkehr zum alten (nämlich mittelalterlichen!) Hansebund wünschen. Er knüpft hiezu Verbindungen mit Bremer und Lübecker Senatoren und Politikern. Allerdings wird er dieser seiner politischen Tätigkeit gegen Ende 1816 schon wieder müde und möchte sie dem Freund Perthes übergeben. Der Widerstand derer, die zwar auch eine Rückkehr zu alten Verhältnissen wünschen, aber eben ’nur‘ denen aus der vorrevolutionären und vornapoleonischen Zeit, ist zu gross. Selbst der Beitritt zum Deutschen Bund, der für den deutschnational gesinnten Beneke Selbstverständlichkeit ist, wird nicht von allen Hamburgern angestrebt.

Privat ist es so, dass Beneke die ganzen drei Jahre hindurch, die III/2 umfasst, kränkelt. Seine Füsse schmerzen, er kann kaum gehen. Allerdings ist das für den Hypochonder auch ein erwünschter Vorwand, sich von den ihm unangenehmen sozialen Veranstaltungen wie offiziellen Essen etc. zurück zu ziehen. Trotzdem gelingt es ihm, 1816 zum Oberaltensekretär gewählt zu werden – das ‚Kollegium der Oberalten‘ eine Vereinigung von jeweils drei Gemeindeältesten der Hamburger Hauptkirchen. Hauptsächlich geht es um die Verwaltung des ‚Hospitals zum Heiligen Geist‘. Beneke hat sich diesen Job gewünscht – als einzig möglichen in der mehr oder minder offiziellen Verwaltung der Stadt Hamburg. Er befreit ihn von seinen pekuniären Sorgen und Nöten – auch wenn das Einkommen als Oberaltensekretär es ihm nicht erlaubt, seine alten Schulden loszuwerden, muss er sich nun doch nicht neu und noch mehr verschulden. Auch ist ihm eine Sorge für die Armen und Kranken ein echtes Bedürfnis. Dass er dafür seine Tätigkeit als Advokat niederlegen muss, stört ihn keineswegs – im Gegenteil: Er hat diese zeitraubende, aber pekuniär zweifelhafte Arbeit schon lange gehasst.

Ansonsten gibt es wenig von Beneke zu berichten. Obwohl er deren Tätigkeit nach wie vor befürwortet, hat er nur wenig bis gar keine Zeit für die Hamburger Bibel-Gesellschaft. Dafür lässt er sich von einem Berliner Namensvetter, der längere Zeit bei ihm lebt, von der ‚Turnideologie‘ Jahns infizieren. Mit Fouqué – dessen Werke und dessen Lektüre er nach wie vor über alles ausser dem Neuen Testament stellt – wechselt er weiterhin Briefe, erhält auch seine Besuche. Neben Fouqué liest er viel ‚Deutsches‘: deutsche Geschichte, deutsche Sprache, deutsche Sprachgeschichte. Er tritt einer Gesellschaft bei, die sich um die Reinhaltung der deutschen Sprache bemüht und will selber als Forscher deutscher (Lokal-)Geschichte tätig werden. An Belletristik liest er ausser Fouqué praktisch nur (einmal etwas!) von Brentano, das ihm nicht gefällt, ein bisschen Jean Paul – und E. T. A. Hoffmann. Von Hoffmann sind es die Fantasiestücke in Callots Manier und die Elexiere des Teufels. Bei beiden handelt es sich um Neuerscheinungen, beide Werke gefallen ihm ausserordentlich. (Bei den Elexieren des Teufels verfasst er für sein Tagebuch gar eine mehrere Seiten umfassende Rezension. Wohl auch, um sie irgendwann einmal seiner Frau Karoline zu lesen zu geben, der er die Elexiere nicht zumuten will. Lektüre für Männer halt…)

Das Jahresende 1816 – wie jedes Kalenderdatum ein willkürlicher Einschnitt – sieht Beneke als wohlbestallten Oberaltensekretär, leidend aber, mit einer ebenfalls leidenden Frau (Beneke und der Hausarzt sind sich nicht sicher, ob sie zum vierten Mal schwanger ist) und einer langsam zum Tode dahin siechenden Mutter. Kein Wunder, sieht der Mann schon wieder alles schwarz.

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