Herausgegeben von Ulrike Leuschner und Matthias Luserke-Jaqui. Berlin, New York: Walter de Gruyter, 2003
Dieses Buch versammelt verschiedene (ich weiss nicht, ob alle) Vorträge, die am 25. März 2002 an einem wissenschaftlichen Kolloquium zum Thema Johann Heinrich Merck in Darmstadt gehalten worden sind. Dieses Kolloquium war auch der Startschuss für eine neue Edition der Briefe von und an Merck. Nebenbei war es Ziel dieses Kolloquiums, Merck vom Odium des mephistotelischen Charakters zu befreien, das ihm seit einer unglücklichen Bemerkung Goethes anhing. Heute, fast 15 Jahre später, kann man sagen, dass dies so ziemlich geglückt ist – was nicht zuletzt auch der auf die Briefedition folgenden Werkausgabe zu verdanken ist, die nach wie vor im Gange ist.
Wir finden neun Beiträge, sowie ein Dutzend Beispiele aus dem Briefwechsel Mercks, die Ulrike Leuschner zum Schluss abdruckt und in denen sie die Editionsprinzipien ihrer Briefausgabe in Theorie und Praxis vorstellt. (Es ist ja schon eine Definition nicht ganz einfach: Was ist ein Brief? Der seit dem Humanismus öffentliche Charakter auch solcher Briefe, die wir heute als ‚privat‘ taxieren würden, macht es oft nicht einfach, zu entscheiden, ob wir einen Brief oder schon eine wissenschaftliche Veröffentlichung vor uns haben.) Wir finden im Anhang also unter anderem einen Brief von Mercks damaliger Verlobten Louise Françoise, zwei von Herder plus einen von seiner Frau (wo Herder mit Unterschreibe alles sich zum letzten Mal persönlich bei Merck meldet), einen an Georg Eberhard Müller (den Stallmeister, mit dem zusammen Merck auf Russland-Reise gehen sollte), Briefe von beiden Tischbeins, von Gessner und Lavater und einen Brief an Soemmerring.
Die Referate wiederum behandeln ganz verschiedene Aspekte von Mercks Schaffen. Der Co-Herausgeber Luserke-Jaqui entwickelt aus Mercks Bemerkungen zur eigenen Lyrik (Mercks empfindsame Zeit!) dessen Poetologie, die Poetik als ‚Lebensform‘ von reiner Reime-Schinderei unterscheidet. Nikola Rossbach geht der Entwicklung von Mercks Anschauungen zur Gartenbaukunst nach. Hartmut Vollmer schildert den vorsichtigen (und gelungenen!) Spagat, den Merck machte als Kritiker und Freund Goethes wie Nicolais im Streit um die Rezeption der Leiden des jungen Werthers. Andrea Heinz in Mineralogie ist schon gut; aber Witz, lieber Herr, ist für den Merkur noch besser geht der Entwicklung von Mercks Anteil am Teutschen Merkur nach. Robert Seidel dann nimmt sich etwas allgemeiner dieses zentralen Punkts in Mercks Leben und Schaffen an, der Entwicklung des Kontaktes zu Wieland. Jörg-Ulrich Fechner beschreibt die Entwicklung des Merck-Bildes im Umfeld Goethes, nämlich im Briefwechsel von Herder und Hamann, die beide, nach zuerst recht positiven Urteilen, plötzlich sehr unchristlich über Merck herziehen, ohne dass klar würde, warum und weshalb sie ihn für eine Meerkatze, einen falschen und verlogenen Menschen also, halten müssen. Marie-Theres Federhofer kehrt zu Merck selber zurück und seiner Korrespondenz mit Peter Camper in Sachen Paläontologie. Den Abschluss macht Ulrike Leuschner mit einem Werkstattbericht über die Edition des Briefwechsels.
Ich bin nicht in allen Punkten mit allen Facetten der einzelnen Referate einverstanden, habe aber deren Lektüre durchs Band weg als interessant und bereichernd empfunden, auch wenn – wie schon oben angedeutet – das Bild Johann Heinrich Mercks sich nicht zuletzt durch Leuschners editorischer Arbeit an Briefen und Werken in den letzten Jahren verändert hat.