Und das alles ist gut und kompetent gemacht: Czermak verfällt nirgendwo in einen polemischen oder gar zynischen Tonfall, sondern bemüht sich um eine objektive Darstellung, er verschweigt positive Aspekte religiösen Denkens keineswegs, verfällt aber auch nicht in das häufig substanzlose Toleranzgefasel, wenn es um die Schattenseiten der Kirchen geht. Trotz der mehr als 400 Seiten des Buches kann durch seinen umfassenden Anspruch (der von philosophischen Fragen der Religionsentstehung über bibelkritische und historische Belange bis zu ethischen und soziologischen Fragen reicht, wobei immer wieder auch aktuelle Themen berührt werden) die Thematik oft nur oberflächlich abgehandelt werden. Zahlreiche Anmerkungen und eine ausführliche Literaturliste sind aber in der Lage, diesen Mangel auf zufriedenstellende Weise zu kompensieren.
Man darf sich aufgrund dieser Struktur kein philosophisches Feuerwerk erwarten – im Gegenteil: Der mit solcher Literatur Vertraute wird wenig Neues finden. Allerdings ist es auch diese Bescheidung im Anspruch, die das Buch wunderbar lesbar macht: Man wird nicht mit zweifelhaften philosophischen Spitzfindigkeit konfrontiert, sondern mit gut dokumentierten Fakten und Meinungen, die in ihrer Klarheit für sich selbst sprechen. Eine konzise Zusammenfassung all der religiösen Heuchelei und Machtpolitik der letzten Jahrtausende, eine Auflistung skandalöser und ethisch inakzeptabler Verhaltensweisen, die (etwa bei der Selig- bzw. Heiligsprechung) bis in die Gegenwart reicht und gerade die katholische Kirche als eine Organisation kennzeichnet, die nicht im mindesten (oder nur über Druck von außen – wie etwa in den Missbrauchsfällen) bereit ist, sich ihrer dunklen Geschichte zu stellen. Ein Buch, das – weil als Nachschlagwerk konzipiert und der ausführlichen Bibliographie wegen – für jede Bibliothek eine Bereicherung darstellt.
Gerhard Czermak: Problemfall Religion. Ein Kompendium der Religions- und Kirchenkritik. Marburg: Tectum 2014.