Das Buch ist beileibe keine umfassende philosophisches Analyse der digitalen Technik und ihrer Implikationen: Aber es ist klug und kenntnisreich geschrieben und zeugt von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Problem Technik/Technologie. Etwas, das durchaus nicht selbstverständlich ist: So gehören vor allem diejenigen, die in der Digitalisierung, dem Internet, dem Computer den Untergang des – meist gefühlvoll gedachten – Abendlandes beschwören, häufig zur Gruppe der Ahnungslosen. (Beispielhaft wird auch in diesem Buch Hans Magnus Enzensberger mit seinem Aufruf, alle Handys wegzuwerfen, zitiert: Stellvertretend für eine Technik- und Fortschrittfeindlichkeit, mit der schon der Erfinder des Buchdruckes konfrontiert war.)
Von Randow ist zu klug, um als einfältiger Technikfreak durchzugehen: Er sieht die zahlreichen ethischen Probleme unserer technisierten Welt sehr wohl, glaubt aber, dass diese sich lösen lassen – und dass hierfür ein öffentlicher Diskurs unterlässlich ist. Aber er beschreibt auch den wichtigsten Faktor dieser Entwicklung: Der in einer Erhöhung unserer Freiheitsgrade besteht, in einer Erweiterung von Chancen, die uns erst jenes Mensch-Sein ermöglichen, dass die Technikfeinde in einer urtümlich-rousseauschen Welt zu erblicken vermeinen. Ein solches „zurück“ ist völliger Unsinn – denn diese Apostel einer vergangenen heilen Welt müssten erstmal erklären, welche 95 % der Weltbevölkerung (die dann nicht ernährt werden könnten) in dieses archaische Paradies keinen Eingang finden: Ich halte eine solche Auswahl für höchst problematisch.
Die Technik gehört – allen Unkenrufen zum Trotz – zum Besten der Menschheitsgeschichte. Das soll nicht die ungeheuren Schwierigkeiten, die im Gefolge dieses technischen Fortschrittes auftraten, in Abrede stellen – von Umweltverschmutzung, Klimakatastrophe bis zur Überbevölkerung: Aber gerade letztere weist auf die Notwendigkeit eines rationalen Umganges mit unseren technischen Errungenschaften hin. Gäbe es diesen Fortschritt nicht, so wäre es auch nicht zu jenen bald 8 Milliarden Menschen gekommen: Die meisten wären vor, bei und nach der Geburt gestorben, später durch Hungerkrisen ums Leben gekommen und – wenn ihnen das Glück hold war – maximal 60 Jahre alt geworden. Ob dies vorbeugende Sterben tatsächlich humaner ist darf bezweifelt werden: So bleibt uns nur die Hoffnung, dass Vernunft (und Technik) die Bevölkerungszahl in weiterer Folge beschränken und die Verteilung der vorhandenen Güter gerechter werden wird. Dazu braucht es – wie von Randow abschließend bemerkt – die Öffentlichkeit, also uns alle. Verteilungsfragen oder die Problematik möglicher Überwachung müssen politisch entschieden werden: Allerdings auf der Grundlage unseres technologischen Fortschrittes. Der im übrigen – und das kommt meistens zu kurz – auch ungeheuren Spaß machen kann und Kreativität, Denken mindestens ebenso fördert wie die Wassermalfarben von früher: Kinder pflegen sich – wie ich aus eigener Erfahrung weiß – durchaus nicht nur an stupiden Spielen zu delektieren, sondern verstehen es, Computer wirklich zu nutzen, entwickeln Neugier nach dem, was sich hinter der Oberfläche verbirgt (und sind schon mit 7 Jahren vom Programmieren begeistert). Dazu bedarf es allerdings auch eines einigermaßen kompetenten Erwachsenen, der diese Tätigkeiten begleitet.
So ist dieses Buch eine recht kluge und kompetente Betrachtung unserer digitalisierten Zukunft, die von Weltuntergangsszenarien absieht und zu einem verantwortungsvollen Umgang mit der Technik aufruft: Eigentlich eine triviale Botschaft, die aber in einem zunehmend populistisch-tribalistischen Klima keine Selbstverständlichkeit ist. (Positiv zu erwähnen ist die kommentierte Literaturliste: Keine bloße Aufzählung, sondern eine kurze Beschreibung der verwendeten Bücher.)
Gero von Randow: Der Cyborg und das Krokodil. Technik kann auch glücklich machen. Hamburg: edition Körber-Stiftung 2016.