Natürlich macht sich sofort Skepsis breit, Lovell leitet eine Untersuchung ein und bittet den Aussteller des Wechsels, der in Europa sitzt, um Nachricht: Ob es denn damit auch seine Richtigkeit hat. Außerdem bleibt Smith, trotz seiner glänzenden Manieren und seines souveränen Auftretens, alle Erklärungen darüber schuldig, was er denn mit dieser enormen Summe zu unternehmen gedenkt. Nur sein sagenhafter Reichtum macht im überschaubaren Neu York des 18. Jahrhundert alsbald die Runde: Er wird von den Honoratioren der Stadt hofiert, eingeladen und jeder möchte den offenkundig Begüterten auf seine Seite ziehen. Und er macht auch bei der holden Weiblichkeit Eindruck: Vor allem die bissige Tochter der Lovells, Tabitha, scheint Gefallen an ihm gefunden zu haben (die Charakteristik dieser Dame gehört zum Besten im Buch).
Doch die Bestätigung bleibt aus: Und Smith wandert ins Gefängnis. Unberechtigterweise, wie sich herausstellt, denn der Brief, der die Bonität des Wechsels bestätigt, hat sich nur verspätet. Gerade noch rechtzeitig vor der Verurteilung zum Galgen trifft das Schriftstück ein, womit die Kalamitäten allerdings nicht beendet sind: Eine Nacht mit der Frau eines Offiziers führt zu einer Forderung seitens eines Regierungsvertreters, der pikanterweise der einzige Freund Smiths in all den Tagen war und ihm sogar einmal das Leben rettete. Auch diesmal beabsichtigt dieser Septimus, das Duell nur bis zu einem gewissen Punkt zu führen, der dann als Satisfaktion gelten kann: Aber er kommt unglücklicherweise selbst dabei ums Leben. Wieder wird Smith angeklagt, in die Streitigkeiten zwischen Regierung und Richter hineingezogen – und abermals entgeht er knapp (durch eine geschickte Prozessführung) dem Tod.
Erst im letzten Kapitel löst sich das Rätsel um den Zweck der enormen Summe auf überraschende und recht originelle Weise (die ich hier nicht mitteile). Aber das allein macht das Buch noch nicht lesenswert: Sondern die Begabung des Autors, wunderbar eigentümliche Charaktere zu zeichnen, ihnen Plausibilität zu verleihen und das alles mit gelungenem sprachlichen Witz zu versetzen. Wie schon bei Rote Zukunft gelingt es Spufford, Handlung und Historie auf sehr unterhaltsame Weise zu verknüpfen und den Leser auf eine spannende und amüsante Reise mitzunehmen. Beide Bücher des Autors sind ausgezeichnete Unterhaltung, intelligent und mit viel Esprit. Umso mehr war ich bei meiner kleinen Recherche über Spufford erstaunt, dass es von ihm auch eine Apologie des Christentums in Buchform gibt: Wobei ich den prospektiven Leser aber beruhigen kann. In den Romanen waren keine Spuren dieser Seltsamkeit zu entdecken, er hat sein unzweifelhaftes Talent von allen religiösen Anwandlungen freigehalten. Glücklicherweise!
Francis Spufford: Neu York. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 2017.