James Baldwin: Von dieser Welt

James Baldwin ist ein us-amerikanischer Klassiker, der in jüngster Zeit eine Renaissance erlebt: So werden seine Bücher neu übersetzt, auch entsprechend beworben. Ob eine solche Renaissance notwendig, berechtigt ist, kann ich nach der Lektüre seines Erstlingswerkes (Originaltitel: Go Tell it on the Mountain) nicht unbedingt bestätigen: Das ist ganz gut geschrieben, das ist – und möglicherweise ist dies der Hauptgrund für die Wiederentdeckung – höchst aktuell und immer noch brisant, geht es doch – vor allem – um die Benachteiligung Schwarzer, um den Alltagsrassismus, der abgenommen haben mag, aber immer noch präsent ist.

Baldwin erzählt (in autobiographischer Manier) von John, einem 14jährigen Schwarzen in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Seine Eltern sind aus dem Süden nach New York gezogen, weil sie sich davon ein besseres Leben, mehr Anerkennung, mehr Freiheit versprachen. Sein Stiefvater ist ein bigotter Prediger (dessen Geschichte ebenso erzählt wird wie die seiner Mutter, die sich aus dem bedrückenden Leben bei ihrer Tante zu befreien sucht und dann – schwanger – den Tod des leiblichen Vaters von John erleben muss, der sich aus Verzweiflung über die Polizeiwillkür das Leben nimmt), ein Vater, der seine Familie recht und schlecht durchbringt, dessen Leben aber vor allem von der Religion durchdrungen ist, der ein alttestamentarischer Erzieher ist und unter dessen Gewaltausbrüchen die gesamte Familie leidet. In Rückblicken – während einer Messe – wird so das Leben der Familie erzählt, auch der Schwester des Predigers, die sich gegen die Heuchelei ihres Bruders zur Wehr setzt, der Vorfahren, die sich dem Rassenhass und dem willkürlichen Morden in den Südstaaten ausgesetzt sahen.

John wird bei dieser Messe von einer Vision heimgesucht, er glaubt sich nun ebenfalls zum Prediger berufen (all das ist weitgehend autobiographisch), wobei diese rund 30seitige Schau Gottes und der Hölle zum Langweiligsten des ganzen Buches zählt (das scheinen Visionen so an sich zu haben: Denn dem lieben Gott mangelt es an Kreativität bei der Heimsuchung seiner Schäfchen und hat sich seit Jahrtausenden nicht viel Neues einfallen lassen – ob es sich um darbende, Heuschrecken fressende Mönche des Frühchristentum, um Meister Eckhart oder eben um James Baldwin handelt). Mit dieser Berufung bricht das Buch ab, wobei spürbar wird, dass trotz der stundenlang anhaltenden Erscheinungen, von denen der sich sündig fühlende John heimgesucht wird, dieser von all dem nicht wirklich überzeugt ist (Baldwin selbst hat mit 17 sich vom Christentum abgewendet). Dieses Ende bleibt ein wenig unbefriedigend, man spürt, dass es da noch viel erzählen gäbe, dass die Entwicklung Johns noch längst nicht abgeschlossen ist.

Das Buch liest sich flüssig (von der erwähnten Vision abgesehen), hat beeindruckende Szenen (die vor allem die Geschichten der älteren Generation betreffen, die Schilderung des Südstaatenrassismus), kann aber schlussendlich nicht wirklich überzeugen. Zumindest kann ich die hymnischen Lobpreisungen nicht nachvollziehen, sie scheinen eher durch die politisch-gesellschaftliche Situation bedingt und sind – vielleicht – von dem Wunsch getragen, einen Außenseiter (schwul und schwarz sind keine idealen Voraussetzungen für ein leichtes Leben) posthum jene Anerkennung zu verleihen, die ihm zu Lebzeiten versagt blieb. Lesbar ja – aber ganz große Weltliteratur? – wohl kaum.


James Baldwin: Von dieser Welt. München: dtv 2018.

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