Manfred Spitzer: Das (un)soziale Gehirn

In diesem Buch sind einige Arbeiten abgedruckt, die sich inhaltlich mit dem Buch “Cyberkrank” überschneiden. Spitzer wiederholt seine Kritik am Umgang mit den neuen Medien – insbesondere mit Blick auf die Erziehung. Und während die sehr polemische Darstellungsweise im erwähnten Buch dasselbe ein wenig abwertet, ist die Kritik hier zumeist fundiert und nicht dem Bemühen geschuldet, um jeden Preis Aufmerksamkeit zu erregen.

Dabei werden auch zwei Fernsehsendungen erwähnt, die auf die ARD als öffentlich-rechtliche Anstalt kein gutes Licht werfen (denn die Darstellung Spitzers schien mir absolut plausibel und deckt sich auch mit Erfahrungen, die ich selbst mit großen Medienanstalten gemacht habe). Wobei ich hier keineswegs in eine dümmliche Medienschelte verfallen möchte: So ist der öffentliche Rundfunk in Österreich im Vergleich mit den privaten Medien diesen in Bezug auf Objektivität der Berichterstattung bei weitem überlegen. Dennoch gibt es bei den Redaktionen eine Form der Voreingenommenheit, die man so nicht vermuten würde und der Spitzer wohl auch zum Opfer gefallen ist. Das konnte ihm umso leichter passieren, da die von ihm geäußerte Kritik an der Computerisierung des Alltags auf massive ökonomische Interessen trifft, denen an nichts weniger gelegen ist als an Kritik. Denn Kinder und Jugendliche sind genau jene Kundengruppe, auf die sich die Marketingstrategen großer Unternehmen vornehmlich beziehen und die mit Untersuchungen über die Schädlichkeit diverser elektronischer Geräte nur wenig Freude haben. (Allerdings ist diese Kritik mehr als berechtigt: Wer entweder selbst Kinder hat oder aber Jugendliche (bzw. Erwachsene) unterrichtet hat, weiß um die Probleme des ständigen Abgelenktseins, um die Unmöglichkeit, einem Vortrag zu folgen mit einem Laptop am Schoß nebst Internetzugang. Und auch das reine Lernen am Computer mit speziell aufbereiteten Unterlagen ist wenig effizient: Es existieren einfach zu viele Möglichkeiten, sich anderweitig zu beschäftigen und die Aufmerksamkeit abzulenken, sodass man mit der althergebrachten Methode (Bleistift und Papier) ein sehr viel besseres Lernergebnis erzielt.)

Andere Artikel beschäftigen sich mit der Bildungspolitik in Deutschland (die vor allem durch die Tatsache, das Bildung Ländersache ist, neben grundsätzlicher Konzeptlosigkeit auch Probleme mit dem Schulwechsel aufwirft: Viele meiner Bekannten haben sich schon über die aberwitzigen Schwierigkeiten beklagt, die einer solcher Wechsel nach sich zieht.*) Daneben gibt es aber auch Beiträge über die Wirksamkeit von Oxytocin (das vor einigen Jahren als “Kuschelhormon” entdeckt wurde, aber offenbar nicht einfach soziales und altruistisches Verhalten fördert, sondern sehr viel komplexere Wirkungen hat; in die gleich Kerbe schlägt das Buch von Robert M. Sapolsky: “Gewalt und Mitgefühl. Die Biologie des menschlichen Verhaltens”, der die Wirksamkeit dieses Hormons ebenfalls sehr viel differenzierter sieht) oder über die Plastizität des Gehirns: Einer meiner Meinung nach gar nicht zu überschätzende Erkenntnis (auch wenn sie wissenschaftlich evident ist: Wie denn sonst als durch Veränderungen in der Gehirnstruktur kann gelernt, erinnert, verstanden – aber auch verlernt werden). Da aber der Geist immer noch manchmal als eine Art immaterielle Substanz angesehen wird und sich der Dualismus auch in der Philosophie noch einer regen Zustimmung erfreut, sind diese Hinweise leider noch längst nicht obsolet. – Insgesamt ein recht lesbares Buch, das aber demjenigen, der mit Spitzers Ansichten vertraut ist, nicht wirklich viel Neues bietet.


*) Einigermaßen kurios: So ist man bestrebt, die Universitätsbildung in ganz Europa zu vereinheitlichen (was allerdings zu einer bloßen Verschulung geführt hat und nicht das Verständnis, sondern stures Auswendiglernen fördert), kann aber nur mit großen Problemen von einer bayrischen Schule zu einer in Baden-Württemberg wechseln.


Manfred Spitzer: Das (un)soziale Gehirn. Stuttgart: Schattauer 2013.

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