Eckart Voland: Die Natur des Menschen

Voland hat sich vor allem als Soziobiologe einen Namen gemacht und zahlreiche Schriften zu diesem Themenbereich veröffentlicht (u. a. den „Grundriss der Soziobiologie“, eine sehr lesenswerte Einführung zu diesem Thema). Das vorliegende Buch, das aus einer Artikelserie für die FAZ entstand, widmet sich der Frage, wieviel Natur in der Kultur des Menschen steckt.

Ich mag Volands pointierte und manchmal süffisante Schreibweise, in der er die ach so hehren Verhaltensweisen des Menschen auf unsere grundlegende biologische Ausstattung zurückführt. Unabhängig davon, ob es sich um Altruismus handelt, um moralische Verhaltensweisen oder das Zusammenleben der Geschlechter – all diese vermeintlich spezifisch menschlichen Eigenschaften finden sich in Ansätzen in der Tierwelt wieder und verlieren ihren erhebenden Charakter durch ihre evolutionäre Fundierung. Was diese Dinge aber keineswegs schlechter macht, sondern sie einfach nur erklärt und uns unser Verhalten in einer Weise nahebringt, die durch diese Zurückführung auf die Natur auch die Möglichkeiten einer Veränderung bzw. deren Schwierigkeiten klar macht. Nur die historisch-anthropologische Untersuchung unserer Aggressivität (bzw. unserer empathischen Seiten) macht diese verständlich und zeigt Umfang und Grenzen der Beeinflussung der menschlichen Natur auf und kann sinvolle von sinnlosen soziologischen Maßnahmen trennen.

Dabei sind fast alle unsere Verhaltensweisen durch den evolutionär bedingten Wunsch nach der Weitergabe bzw. Weiterexistenz wenigstens eines Teiles unserer Gene bedingt. Heißt: Sehr viel von dem, was uns antreibt, lässt sich auf Fortpflanzung, Kinderaufzucht oder Machtausübung (die ihrerseits wieder evolutionäre Vorteile verschafft) zurückführen. Wir verhalten uns nicht anders als der Großteil der Männchen und Weibchen im Tierreich: Diese wählen aufgrund von Hinweisen auf Gesundheit („gute“ Gene) jene Männchen aus, deren Aussehen diese Vermutung als wahrscheinlich erkennen lässt (hierher gehört das berühmte Handicap-Prinzip, das etwa den Pfau mit einem strahlenden, riesigen und eigentlich hinderlichen Gefieder ausstattet: Wer sich derlei leisten kann zeigt damit seine Fitness).

Ein besonders lesenswertes Kapitel ist jenes über die „Naturgeschichte Gottes“. Auf knapp 10 Seiten erfolgt eine konzise Analyse des Phänomens Religion (ohne jegliche Polemik), jener vier Elemente (Mythen, Mystik, Ethik und Rituale), die nach Ansicht Volands die Religion(en) konstituieren. So entsteht die moralische Institution eines strafenden Gottes vor allem in größeren Gesellschaften (kleineren Gruppen ist sie so gut wie unbekannt), weil es hier einer zusätzlichen Komponente bedarf, um den Egoismus einzudämmen: Die Idee der göttlichen Strafe ist schlicht durch eine einfache Form des Sozialkontraktes bedingt – wer nichts Verbotenes tut, wird auch nicht bestraft. Durch eine als allmächtig anerkannte Gottheit kann man auch jene in die Gemeinschaft einbinden, die ansonsten – zumindest heimlich – ihrem egoistischen Antrieb gehorchen würden. Dies ist offenbar erfolgreich: Religiöse Gemeinschaften haben eine deutlich längere Halbwertszeit als die säkular motivierten Gemeinschaften. Das Verständnis für Mystik speist sich aus der These von Deborah Keleman, dass „Kinder intuitive Theisten“ seien: Kinder verwenden kognitive Strategien, die sie in jedem Ereignis, in jedem nicht unmittelbar einsehbaren Ursache-Wirkung-Zusammenhang einen Akteur erkennen lassen. Ebenso sind sie intuitive Dualisten: Der Glaube an ein Leben nach dem Tod (für alle Wesen) ist sozusagen die geistige Standard-Einstellung. Aus dem heraus ergibt sich auch die Neigung des Menschen zur permanenten Konfabulation (Mythen): Wir sind bestrebt, für alles und jedes Erklärungen zu suchen, stellen uns absichtsvoll Handelnde vor und sind Schöpfer „intuitiver Ontologien“. Rituale hinwiederum stärken den Gemeinschaftsgeist und verpflichten die Teilnehmenden auf eine einzuhaltende Ordnung: Deren Wiederholung ist eine Form der immer wiederkehrenden Anerkennung gesellschaftlicher Strukturen.

Andere Kapitel haben sprechende Überschriften: „Angeberei als Hochkultur“, „Tue Gutes und rede darüber“ oder „Lernfähig, aber nicht belehrbar“ – in denen menschliche Verhaltensweisen auf ihren biologisch-evolutionären Wert zurückgeführt werden. Wobei nochmals betont werden muss, dass diese Fundierung den Menschen nicht unmoralischer, egoistischer macht, sondern einfach nur die Entstehung evolutionär scheinbar widersprüchlicher Entwicklungen dokumentiert. Ein äußerst lesenswertes Buch, wenig erbaulich allerdings für jene, die den Menschen mit Eigenschaften ausgestattet sehen wollen, die ihn weit übers Tierreich erheben.


Eckart Voland: Die Natur des Menschen. München: Beck 2007.

Ansichten seit Veröffentlichung bzw. 17.03.2025: 1

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert