Vernor Vinge: Eine Tiefe am Himmel

Der vorliegende Roman ist die Fortsetzung dieses Buchs, seine Handlung verweist allerdings auf Geschehnisse, die zeitlich zuvor anzusiedeln sind. Das Bindeglied beider Romane ist die Figur des Pham Nuwen, der – als Kind in einer mittelalterlichen Kultur aufgewachsen – durch einen Besuch einer viel weiter fortgeschrittenen Zivilisation aus diesem Leben herausgerissen wird und auf einem Sternenschiff (er ist eine Art Opfergabe des Herrschers) eine herausragende Position erreicht. Die Organisation der Dschöng Ho ist weitgehend sein Werk, es handelt sich hier um eine Kaufmannsflotte, die neben ihren ökonomischen Interessen auch Kulturen vor den immer wieder auftretenden Krisen zu bewahren versucht. Diese Vorgeschichte Nuwens wird in Rückblicken erzählt, auch sein größtes Scheitern: Der Versuch, aus seinem kaufmännischen Imperium ein Imperium der Macht zu formen. Doch seine eigene Frau verhindert dies (der „Verrat an der Brisgo-Lücke“ wird schon im ersten Band thematisiert) und Pham muss seine Pläne – scheinbar für immer – beenden.

Doch nun ergibt sich für den alternden Pham eine neue Chance, eine Expedition zum „Ein-Aus-Stern“ (der diesen Namen durch sein seltsames Verhalten erhält: Für 35 Jahre erstrahlt er – stetig dunkler werdend – wie eine Sonne, um dann für rund 200 Jahre fast zu erlöschen), der von nur einem Planeten mit einer Spinnenzivilisation umkreist wird. Es gibt wilde Gerüchte – sowohl um die Sonne als auch um den Planeten: Man vermutet, dass es dort eine längst erloschene, aber sehr weit entwickelte Kultur gegeben haben müsse und auch das Verhalten des Sternes birgt offenkundig Geheimnisse. Allerdings trifft man vor Ort auf andere Schiffe (der sogenannten Aufsteiger-Kultur), die sich ebenfalls die Erforschung dieses Sonnensystems zur Aufgabe gemacht hat. Diese Aufsteiger besitzen keine – oder nur eine zweifelhafte – Moral: Und so kommt es zu einem Gefecht, dass beide Seiten als Verlierer ausweist. Man sieht sich gezwungen, unter der Führung von Thomas Nau, dem Anführer der Aufsteiger, zusammenzuarbeiten, ist aufeinander angewiesen: Immer in der Hoffnung, dass sich auf Arachnoid schnell eine hohe Zivilisation entwickelt, um die beschädigten Schiffe zu reparieren und sich selbst mit Vorräten für eine interstellare Reise versorgen zu können.

Doch der Spinnenplanet ist ebenfalls durch Kämpfe zerrissen: Und so pendelt die Handlung zwischen den sich bekriegenden Spinnen (die während der 35 Jahre dauernden Helle die Atomkraft zu nützen lernen) und dem heimlichen Kampf Pham Nuwens gegen die Herrschaft der Aufsteiger. Wobei Pham hier nicht ganz uneigennützig agiert: Denn die größte Errungenschaft der Aufsteiger, der sogenannte Focus (durch den Menschen zu fantastisch funktionierenden Spezialisten werden) scheint auch für seine eigenen Pläne ein geeignetes Mittel zu sein. Ezr Vinh, eigentlich sein Verbündeter (und gleichzeitig ein Verwandter, Nachfahre von Phams erster Frau – so nebenbei: Man lebt dort – vom Kälteschlaf unterbrochen – fast an die tausend Jahre) durchschaut aber Phams Bestreben und erklärt sich nur unter der Bedingung, dass der Focus niemals angewendet werden dürfe, zur Mitarbeit im Kampf gegen die Aufsteiger bereit.

Sowohl der Kampf der sich in einer Umlaufbahn um den Planeten befindlichen Menschen als auch jener der Spinnen auf ihrem Planeten verquickt sich zu einem Kampf Gut gegen Böse: Es kommt zum großen Showdown (mit hier nicht verratenem Ausgang). Das ist gut und spannend gemacht und kann auf der Ebene der Unterhaltung überzeugen; es gibt aber bei Vinge immer auch sehr durchdachte, visionäre Entwicklungen (wie etwa die Frage des Focus und seine moralische Fragwürdigkeit oder auch die Diskussionen der Spinnen über die Einhaltung überlieferter Rituale, die Vorherrschaft der Religion), die das Buch – auch – zu einem intellektuellen Genuss machen. Obschon Vinge sich hier ein wenig übernommen hat: So lässt er einige aufgeworfene Fragen unbeantwortet (etwa die des „Aus-Ein-Sterns“), kann aber auch die Handlung nicht völlig zufriedenstellend auflösen (das Ende scheint für eine weitere Fortsetzung wie gemacht und tatsächlich ist auf Englisch der Band „The Children of the Sky“ erschienen (2011), der zu diesem Zyklus gezählt wird; inwieweit das eine tatsächliche Fortsetzung ist, entzieht sich allerdings meiner Kenntnis). Aber diese Misstöne gegen Ende des Romans können den positiven Gesamteindruck nicht zerstören: Vinge scheint mir einer der klügsten und geistreichsten SF-Autoren zu sein, die ich in den letzten Jahren gelesen habe.


Vernor Vinge: Eine Tiefe am Himmel. München: Heyne 2007.

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