Picaro sein zu müssen in der Literatur des 20. oder 21. Jahrhunderts, ist kein einfaches Schicksal. Till Eulenspiegel konnte seine Spitzbübereien noch ungehindert planen und ungestraft ausführen. (Wenn er auch letzteres vor allem seinen flinken Füssen verdankte.) Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg aber darf sich der Schelm nicht mehr auf Till berufen, und er kann…
Aperçus
Alexander von Humboldt: Cuba-Werk
Werke. Darmstädter Ausgabe. Band III. Herausgegeben und kommentiert von Hanno Beck. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 22008. In Band III der Darmstädter Ausgabe ist von Herausgeber Hanno Beck der Kuba betreffende Teil aus Humboldts grossem Reise- und Forschungsbericht, Voyage aux régions équinoxiales du Nouveau Continent: fait en 1799, 1800, 1801, 1803 et 1804, herausgelöst worden. Es macht…
Malcolm Lambert: Ketzerei im Mittelalter
Im Vorwort sagt Lambert, dass dieses Buch eine „Arbeitssynthese“ über den derzeitigen (Erscheinungsdatum der englischen Originalausgabe 1981) Forschungsstand – für Studenten oder Wissenschaftler – sei, die mit einer einbändigen Einführung ihr Auskommen finden wollen. Und genau diesen Anspruch hat der Autor mit diesem Buch eingelöst, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ersteres, nämlich der Versuch…
Friedrich Theodor Vischer: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen. Erster Theil: Die Metaphysik des Schönen
Vischers Aesthetik ist vielleicht der letzte Versuch in der Philosophiegeschichte, die Wissenschaft des Schönen systematisch und in einem grossen Wurf darzustellen. Sie umfasst denn auch mehrere Tausend Seiten und deckt die gesamte Spannbreite künstlerishcer Tätigkeiten einerseits, philosophischer Werke darüber andererseits, ab. Vischer beginnt ganz abstrakt mit der Metaphysik des Schönen, mit andern Worten: mit der…
Die Horen. Jahrgang 1797. Achtes Stück
Stücke wie dieses machen, dass der Leser sehnsüchtig nach dem Platz schielt, den das Buchzeichen mittlerweile im letzten Band des Reprints einnimmt – um seufzend festzustellen, dass da immer noch ein paar hundert Seiten auf ihn warten. Aber was sein muss, muss sein – legen wir los: Als erstes Die Geisterinsel. Ein Singspiel in drei…
Lorraine Daston, Katharine Park: Wunder und die Ordnung der Natur
Die beiden Autorinnen berichten im Vorwort von der langen Entstehungsgeschichte dieses Buches: Seit den ersten Ideen dazu verstrichen über 20 Jahre, bis es endlich fertiggestellt war – und in genau dieser großen Zeitspanne dürfte eines der Hauptprobleme dieses Buches liegen. Eigentlich ist es als eine Art „Kulturgeschichte des Staunens“ konzipiert, ein durchaus interessanter Zugang zu…
D. H. Lawrence: Sons and Lovers [Söhne und Geliebte]
1913 in gekürzter Fassung zum ersten Mal veröffentlicht, erst 1992 in ganzer Länge. Ich habe den Roman nun in der Fassung von 1992 gelesen. Dass 1913 Sons and Lovers nur gekürzt erschien, hatte verschiedene Gründe. Da war zum einen die für damalige Zeit recht grosse sexuelle Explizität, die sich Lawrence erlaubte. Wichtiger allerdings waren verlegerische…
Der im Irr⸗Garten der Liebe herum taumelnde CAVALIER. Oder Reise⸗ und Liebes⸗Geſchichte Eines vornehmen Deutſchen von Adel, Herrn von St.*** Welcher nach vielen, ſowohl auf Reiſen, als auch bey andern Gelegenheiten verübten Liebes⸗Exceſſen, endlich erfahren müſſen, wie der Himmel die Sünden der Jugend im Alter zu beſtraffen pflegt. Ehedem zuſammen getragen durch den Herrn E. v. H. Nunmehro aber allen Wollüſtigen zum Beyspiel und wohlmeindender Warnung in gehörige Ordnung gebracht, und zum Drucke befördert Von einem Ungenandten.
Johann Gottfried Schnabel – denn um ihn handelt es sich beim Ungenandten – kennt man heute fast nur noch als Autor von Wunderliche Fata einiger See-Fahrer, absonderlich Alberti Julii, eines gebohrnen Sachsens, Welcher in seinem 18den Jahre zu Schiffe gegangen, durch Schiff-Bruch selb 4te an eine grausame Klippe geworffen worden, nach deren Übersteigung das schönste…
Gedanken zu Herbert Keuths „Wissenschaft und Werturteil“
Dreh- und Angelpunkt dieses Buches ist die als „Werturteilsfreiheitsthese“ in die Philosophiegeschichte eingegangene Foderung Max Webers, nach der „eine empirische Wissenschaft […] niemanden zu lehren vermag, was er soll, sondern nur, was er kann und – unter Umständen – was er will“. Diese These muss im Zusammenhang mit einigen anderen Forderungen Webers gesehen werden, die…
Edgar Zilsel: Die sozialen Ursprünge der neuzeitlichen Wissenschaften. Herausgegeben von W. Krohn
Edgar Zilsel zählt zu den weniger bekannten Mitgliedern des Wiener Kreises (sogar diese Mitgliedschaft wird manchmal (zu Unrecht) in Frage gestellt). Diese mangelnde Bekanntheit ist auf mehrere Gründe zurückzuführen: Zilsel war nie an einer Universität tätig (sein Habilitationsversuch scheiterte zum einen am Klima der Wiener Universität, die keinen weiteren Empiristen wollte und metaphysisch-theologisch orientierte Kandidaten…