Karl Philipp Moritz: Anton Reiser

Anton Reiser braucht – hoffe ich doch – nicht extra vorgestellt zu werden. Ich habe den Text nun zum dritten oder vierten Mal gelesen und bin jedesmal mehr entzückt davon. 1785-1790 in vier Teilen erschienen, ist der Roman so modern wie sonst keiner aus jener Zeit. Er erinnert in vielem an Kafka, in noch mehr…

Ralf Rothmann: Im Frühling sterben

Das Sterben des eigenen Vaters im Krankenhaus: Ein langsames Verdämmern, ein gelebtes Leben und auftauchende Erinnerungen an die Zeit des Zweiten Weltkrieges. Geschehnisse, die dann im Buch beschrieben werden, die ein Leben bestimmen und prägen. Walter wird im Frühjahr 1945 mit einigen anderen als SS-Soldat rekrutiert und zum Fronteinsatz nach Ungarn geschickt. Sie sind sich…

Franz Grillparzer: Weh dem, der lügt!

„‚Trauerspiel‘ heisst es, wenn ein Stück traurig endet; ‚Lustspiel‘, wenn es – nicht traurig endet.“, so oder ähnlich scheint Grillparzer räsonniert zu haben, als er Weh dem, der lügt! ein Lustspiel nannte. Das Publikum – vielleicht auch verwöhnt durch die zeitgenössischen Possen, Zauber- und Volksstücke Raimunds und Nestroys? 1) – schien anderer Meinung zu sein….

Franz Grillparzer: Sappho

Sie ist schon ein bisschen älter, äusserst erfolgreich in ihrem Beruf. Er ist noch jung und kann keine Taten vorweisen. Sie findet ihn im Moment ihres grössten Triumphs an den Olympischen Spielen und nimmt ihn mit nach Hause, wo sie ihn der Dienerschaft als den Herrn des Hauses vorstellt. (Heute würden wir despektierlich von ihm…

Marie von Ebner-Eschenbach: Unsühnbar (Anlässlich ihres 100. Todestags)

Gestern vor 100 Jahren, am 12. März 1916, starb Marie von Ebner-Eschenbach. Diese runde Zahl hat offenbar der eine oder andere Verlag zum Anlass genommen, das eine oder andere ihrer Werke wieder zu veröffentlichen. So auch der Zürcher Manesse-Verlag, der Unsühnbar in seiner Bibliothek der Weltliteratur auflegte, mit einem Nachwort von Sigrid Löffler.*) Unsühnbar ist…

Arthur Schnitzler: Casanovas Heimfahrt

Casanova hat zu Stande gebracht, was wohl sonst keinem Menschen gelungen ist: Sein Name wurde zum Synonym für ‚Frauenheld‘. Kein Wunder, hat sich auch die Literatur immer wieder mit Giacomo Girolamo Casanova beschäftigt. Arthur Schnitzlers kleiner Roman schildert eine (fiktive) Episode aus Casanovas späte(re)m Leben. Casanova ist, wie uns schon der erste Satz informiert, unterdessen…

Gottfried August Bürger: Briefwechsel. Band I: 1760 – 1776

Herausgegeben von Ulrich Joost und Udo Wargenau. Göttingen: Wallstein, 2015. – Eine geballte Ladung Kompetenz steht also hinter dieser Ausgabe, war doch Ulrich Joost schon mitverantwortlich bei der Herausgabe des Briefwechsels eines anderen (Wahl-)Göttingers derselben Epoche, Georg Christoph Lichtenberg, und auch beim Wallstein-Verlag kennt man sich mit Briefwechseln aus jener Zeit sehr gut aus, man…

Tilmann Lahme: Die Manns

Untertitel: Geschichte einer Familie. Tatsächlich gelingt Tilmann Lahme hier so etwas wie die Kubatur der Kugel. Indem er fast nur die Mitglieder der Familie Mann in eigenen Briefen oder Tagebuchauszügen zu Wort kommen lässt, haben wir so etwas wie eine Autobiografie von uns – eine Autobiografie von 8 Personen gleichzeitig. Indem er seine Auszüge klug…

Hugo Ball: Tenderenda der Phantast

Tenderena der Phantast ist so etwas wie Hugo Balls ‚Opus magnum‘. Auch wenn ‚magnum‘ angesichts der knapp 60 Seiten, die das Werk umfasst, etwas übertrieben scheint, ebenso wie die Einordnung in die Kategorie ‚Roman‘: Ball hat sein Werk selber Roman genannt, also lasse ich es bei dieser Kategorie; und Tenderenda der Phantast ist tatsächlich das…

Autumn

Anthologien sind mein Ding nicht: Ich kaufe oder lese selten welche. Diese hier wurde als eine Art Treueprämie meiner vorletzten Bestellung bei der Folio Society beigelegt – der vorvorletzten übrigens auch. Geschenktem Gaul schaut man bekanntlich nicht ins Maul, und ich hätte es wohl auch nicht getan, wenn ich nicht das Gefühl hätte, dass die…