Heinleins berüchtigster Roman: militaristisch, faschistoid, xenophob bis hin zum Rassismus. Zugleich sein bekanntester und erfolgreichster Roman. Und eigentlich war er als der dreizehnte in seiner Serie von Juveniles gedacht gewesen, seiner Romane für die (männliche) Jugend, von denen wir mit Have Space Suit – Will Travel hier auch schon einmal einen vorgestellt haben.
Das erklärt auch den Inhalt des Romans. Wir haben, was den eigentlichen Plot betrifft, im Grunde genommen die simple Geschichte des Juan Rico vor uns, wie er nach dem Abschluss des College anstatt ein Studium zu beginnen, wie vom Vater gewünscht, sich beim Militär meldet. Er wird dort der Mobile Infantry (kurz: MI) zugeteilt. In nicht allzu kompliziert verschränkten Vor- und Rückblenden erleben wir seine Ausbildung mit, ganz flüchtig ein oder zwei Einsätze im unterdessen ausgebrochenen Krieg gegen die Bugs („Käfer“), eine spinnenartig aussehende fremde Spezies, und wir sehen, wie Rico sich in der Armee zusehends heimischer fühlt, bis er zum Schluss als Leutnant ein Angriffskommando auf den Heimatplaneten der Bugs leitet – ein klassischer Coming-of-Age-Roman also, den wir im Deutschen auch „Bildungsroman“ nennen würden, wenn wir unter ‚Bildung‘ nicht etwas anderes verständen, als das, was Juan Rico in diesem Roman erhält.
An äusserlicher ‚Action‘ geschieht auf den rund 250 Seiten wenig; Ricos tatsächliche Einsätze im Kampf treten in den Hintergrund. Im Vordergrund steht seine Ausbildung. Immer und immer wieder kehren wir mit ihm zurück in sein Klassenzimmer – sei es in Rückblenden in den Unterricht in History and Moral Philosophy am College, seien es ähnliche Situationen in seiner Ausbildung zum Soldaten und später zum Offizier. Allen diesen Situationen ist gemeinsam, dass sie reine Propaganda sind für die Gesellschaftsform, in der der Roman angesiedelt ist: eine, in der nur Personen, die Militärdienst geleistet haben, im Anschluss an ihren Dienst das aktive und passive Wahlrecht erhalten und vollgültige Bürger werden; eine, in der die Werte des Militärs auch das bürgerliche Leben regieren. Die Ausübung der Prügelstrafe bei Kindern wird nicht nur geduldet, sondern explizit empfohlen; auch ist es gängige Praxis, dass Erwachsene bestraft werden, indem man sie öffentlich auspeitscht. Die Todesstrafe wird selbstverständlich ebenfalls immer noch (oder wieder) verhängt. Das Ganze wird geschichtlich so erklärt, dass eine zu grosse Nachgiebigkeit gegenüber Verbrechern zu immer grösser werdender Unsicherheit auf den Strassen geführt habe.
Es wird immer wieder mal damit argumentiert, dass Heinlein ja nur eine mögliche zukünftige Gesellschaftsform exploriert habe, und er sie damit nicht unbedingt empfohlen haben wolle. Häufig zieht man als Bestätigung dafür den Umstand hinzu, dass der Professor für History and Moral Philosphy am College, ein gewisser Dubois (wie sich später herausstellt, nicht einfach irgendein Kriegsveteran – alle Lehrer in dieser Gesellschaft müssen gedient haben –, sondern ehemals Oberst in genau jenem Truppenteil, in dem Rico unterdessen dient) die Kindererziehung vergleicht mit der Erziehung, die wir einem Hund angedeihen lassen, damit dieser stubenrein wird. (Die Rico-Dubois’sche Methode der Reinlichkeits-Erziehung von Hunden – im Englischen übrigens bezeichnender Weise braking in genannt, was schon auf die dabei angewendete Gewalt hinweist – mag in den 1950ern gang und gäbe gewesen sein; heute wissen wir, dass sie gar nicht funktioniert.) Solche seltsamen Vergleiche kommen bei Heinlein auch in andern Romanen der 1960er immer wieder mal vor, und wer damit argumentiert, übersieht, dass Dubois der erste in einer langen Reihe von väterlichen (oder gar grossväterlichen) Gestalten ist, die Heinleins Romane jener Zeit bevölkern sollten, und die allesamt Sprachrohr von Heinleins Gedanken zu einem bestimmten Thema sind. Keine Ironie also. Heinlein war libertär bis zum Exzess. Er neigte zum Extrem und legte auch keinen Wert auf ein kohärentes oder konsistentes Erscheinen seines Weltbilds. Er konnte sich so weit auf Rechts-Aussen-Positionen setzen, dass er sich, wie es Joe Haldemann im Vorwort zu meiner Ausgabe sinngemäss formuliert, sozusagen nur noch ein wenig hintenüber lehnen musste, um von einer extrem-rechten Idee aus eine extrem-linke zu berühren: You don’t find too many authors in favor of both free love and traditional family values, for instance. Was für unsere Ohren nach einer ziemlich üblen Dystopie klingt, war für Heinlein ganz sicher eine, ja seine politische Utopie, die er hier dem Publikum präsentierte. Heinlein war in Starship Troopers weder ironisch, noch zynisch – beides jedenfalls nicht gewollt.
Erschwerend für den heutigen Leser kommt hinzu, dass Heinlein das Militär an allen Ecken und Enden verklärt. Die Offiziere und Unteroffiziere sind alles ehrenwerte und moralisch gefestigte Männer (Frauen gibt es keine in der MI, dafür besteht die Crew der Raumschiffe nur aus weiblichen Personen). Männer, die die Rekruten selbstverständlich nicht aus eine irgendeinem persönlichen Sadismus heraus quälen, sondern immer nur rein sachlich begründet. Auch scheint es sich bei Heinleins Militär um reine Kampfmaschinen ohne menschlichen Verstand zu handeln, was gerade jene SF-Autoren-Kollegen monieren, die ihrerseits im Militär tatsächlich Kampfeinsätze an der Front geleistet hatten: Brian Aldiss (der gegen die Japaner gekämpft hatte) und Joe Haldemann (der im Vietnamkrieg so ziemlich genau den Job hatte, den Ricos Einheit in Starship Troopers inne hat). Man merke den Kampfbeschreibungen letzten Endes an, dass Heinlein zwar im Zweiten Weltkrieg gedient hatte – aber als einer jener Offiziere, die fern von jedem konkreten Kampf direkt als Offiziere ausgebildet worden waren und auch nie aktiv in Kampfhandlungen eingriffen. (Heinlein lässt es im Roman einen seiner grossväterlichen Offiziere lauthals als Fehler früherer Epochen kritisieren, dass früher die Offiziere nicht von der Pike auf gedient hatten, nicht an vorderster Front mitgekämpft hatten; ich glaube nicht, dass der Autor sich der Ironie, die darin liegt, bewusst war.) Bei allem vergossenen Blut also blutleer; die Angst des Soldaten beim Einsatz kommt kaum zur Sprache und das grosse Problem so manches Soldaten, ob er nun im Kampf verwundet wurde oder nicht, die posttraumatischen Symptome, die Probleme, die es unweigerlich gibt, wenn jemand, der gelernt hat, dass es ok ist, andere Lebewesen zu töten, zurück kommt in eine Gesellschaft, wo dies – zumindest für ihn als Einzelperson – tabu ist, all dies wird von Heinlein nonchalant unter den Tisch gewischt. Sie sind offenbar kein Problem für diese reinen Menschen, die in der MI Kriegseinsätze leisten. Reine Menschen … tumbe Toren … Kampfmaschinen …
Der Roman wurde übrigens als Antwort geschrieben auf die von Heinlein so gesehene allzu grosse Nachgiebigkeit der US-amerikanischen Politik gegenüber der UdSSR. Letzter Auslöser war ein temporärer Stopp der nuklearen Aufrüstung, den der US-amerikanische Präsident mit den UdSSR aushandelte. Dass Heinlein damit implizit gegen eines der Grundprinzipien seiner Starship Troopers verstösst, das darin besteht, dass kein Soldat und kein Offizier die Befehle seines Vorgesetzten in Frage stellt, scheint er nicht gesehen zu haben. (Die zivile Gesellschaft und die eigentliche Regierungsform bleibt im Roman allerdings ziemlich vage. Wie sie genau funktionierte, wissen wir nicht.) Dass der damalige US-Präsident (und damit oberste Befehlshaber!) mit Dwight D. Eisenhower ausgerechnet ein ehemaliger 5-Sterne-General und im Zweiten Weltkrieg Oberbefehlshaber der alliierten Truppen in Nordwesteuropa, also genau das Idealbild des Soldaten und Offiziers mit Kampferfahrung im nunmehr zivilen Dienst erfüllt, das Starship Troopers zeichnet, stellt eine weitere Ironie dar, die Heinlein wohl entgangen ist. Was in welchem Moment libertär zu sein hatte, bestimmte er offenbar immer selber – ad hoc. Und über die Ausführbarkeit seiner Ideale machte er sich ganz eindeutig wenig Gedanken. Das macht die Lektüre letzten Endes unbefriedigend, und hinterlässt im Leser einen schalen Nachgeschmack. Um es zurückhaltend zu formulieren …
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Heinleins Roman Starship Troopers ist vor allem eines ist: naiv. Und langweilig.