Um den Titel zu erklären, muss ich kurz ausholen. Ich bin seit geraumer Zeit Mitglied der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft. Genau gesagt: Letztes Jahr waren es genau 20 Jahre seit meinem Beitritt, wie die Buchgesellschaft (die diesbezüglich besser Buch führt als ich) mir mitgeteilt hat und mir zugleich aus einer Auswahl an Büchern und anderem die Wahl liess, welches ich mit Rabatt bestellen dürfe – als Dienstaltersgeschenk, sozusagen. Ich entschied mich, noch im alten Jahr, für die Metamorphosis insectorum Surinamensium der Maria Sibylla Merian. Das Buch wurde auch sofort von Deutschland aus auf die Reise geschickt, doch bei mir ist es nie angekommen. Die Geschichte der Dummheit und Arroganz des Paketlieferdienstes DHL, die daran schuld sind, will ich hier gar nicht ausbreiten, wer mag, kann eine ähnliche Geschichte in Kafkas Schloss nachlesen. Nach längerem Hin und Her bin ich mit der WBG überein gekommen, dass ich ausnahmsweise dieses Buch am Messestand abholen dürfe. Ich habe ja mit einem grossen Buch gerechnet, aber dieses Ding, das in etwas Weltformat aufweist, hat mich doch überrascht. Was tun damit? Denn eigentlich wollte ich um 16.00 Uhr noch einer Veranstaltung des Blauen Sofas beiwohnen und dann um 18.00 Uhr einer Lesung im Zentrum. Ich hätte dafür vom Blauen Sofa direkt ins Zentrum fahren müssen. Aber mit dem Ding im Arm? – Keine Chance. Also verzichtete ich aufs Blaue Sofa (sehr schwer gefallen ist es mir allerdings nicht), enterte ein Taxi und brachte den Merian zuerst ins Hotel, um dann halt schon am frühen Nachmittag ins Zentrum zu fahren.
Die Lesung, die um 18.00 Uhr stattfinden sollte, trug den Titel Laktosefreie stillende Mütter sind das Gluten jedes Craftbiers – Tipps für multiple Antiallergiker, den Untertitel 17 Anregungen, aufdringliche Körperoptimierung zu umjoggen und wegzutrinken, in komischer Prosa und die Beschreibung Komische, nachdenkliche, lustige, alberne, verblüffende, witzige, ironische oder bissige Satiren, Humoresken, Kolumnen und Gedichte rund um Partnerbeschaffung, Nahrungsbeschaffung, Geldbeschaffung, Kulturbeschaffung, Arbeitsbeschaffung und Beschaffungskriminalität. Lesen sollten Ulrike Gastmann und Christian Bosse. Was sie auch taten. Allerdings hatte keiner ihrer Texte irgendeinen Bezug zum Titel der Veranstaltung. Somit hatte sich meine Vorbereitung für den Abend – ich hatte extra ein Restaurant ausfindig gemacht, das Craftbier im Angebot hatte und dann dort auch eines bestellt und getrunken (ein exzellentes Red Ale!) – meine ganze Vorbereitung also war für die Katz. Es waren immer abwechselnd vorgelesene Zeitungs- und Internetglossen, oft bissig-satirische, immer ironische Texte zum bundesdeutschen Alltag. Die Einheimischen amüsierten sich prächtig. Ich auch.
Der Veranstaltungsort, Vodkaria genannt, weil er sich rühmt, etwa 100 Sorten Vodka im Angebot zu haben, weist ein ganz eigenartiges Flair auf. Auf ihrer Webseite geben die Betreiber dieses Restaurants mit Bar (dieser Bar mit Restaurant?) zu, dass es ihnen zunächst schwer fiel zu akzeptieren, dass ihre Kunden von der Vodkeria als einer «Kneipe» sprachen. Nun, «Kneipe» würde ich es selber auch nicht nennen – ganz einfach, weil dieser Begriff in meinem Alltagswortschatz nicht existiert. Ich würde es einen «Schpuntä» nennen, oder eine «Chnellä». Was das heisst? … Nun ja: Kneipe. – Jedenfalls hat die Vodkaria den Charme einer Punk-Bar, wo auch Banker und Arbeiter verkehren. Aber die Knoblauch-Spaghetti mit Thunfisch waren sehr gut (auch wenn der Fisch definitiv aus der Dose kam) – und der Vodka sowieso.
Somit isf auch die Leipziger Buchmesse von 2019 vorbei. Ob ich noch einmal nach Leipzig fahre, steht in den Sternen geschrieben. Momentan tendiere ich dazu, dies meine letzte Buchmesse gewesen sein zu lassen. Immerhin hatten wir drei Tage lang wirklich schönes und recht warmes Wetter und auch heute Sonntag blieb es zumindest trocken. Das kann Leipzig eigentlich nicht übertreffen.
Tits und Bits, Bits und Bytes
Neben dem Merian und dem zuletzt erschienen Buch der beiden Spassvögel aus der Vokdaria habe ich noch weitere Bücher gekauft. So am Stand der WBG ein Biografie Gottfried Kellers – nicht nur, weil ich mich gefreut habe, dass in Deutschland nicht nur Theodor Fontane zum 200. Geburtstag gratuliert wird. Der Text machte beim Hineinlesen einen sehr guten Eindruck.
Und da ich schon bei den Biografien war, habe ich mit Müh und Not den Verlag nochmals ausfindig gemacht, und mir die bereits am Freitag angedeutete Biografie Cyrano de Bergeracs mitgeben lassen.
Und, ach ja: Ein Gastland gab es auch an der diesjährigen Messe. Es war Tschechien.
1 Reply to “Leipziger Buchmesse 2019, Sonntag. Oder: Als ein Coffee Table Book meine vorletzte Veranstaltung aus der Agenda gestrichen hat”