Ralf Rothmann: Feuer brennt nicht

Rothmann gehört für mich zu den besten (lebendsten – Loriot) deutschen Schriftstellern. Die Genauigkeit seiner Sprache, Kraft seiner Bilder, das Gefühl für feine Zwischentöne sind einfach nur großartig, er ist einer der wenigen, die einzelne Sätze von Zitatcharakter zu produzieren imstande sind, die Stimmungen auf einmalige Weise einfangen. Trotzdem war dieses Buch für mich eine Enttäuschung, was aber aufgrund meiner hohen Erwartungshaltung relativiert werden muss: Vielen Schriftstellern ist ein auf diese Art „misslungenes“ Buch in ihrem ganzen Leben nicht geglückt.

Großartig wie immer bei Rothmann ist die Vermittlung selbst feinster Nuancen des Befindens seiner Charaktere, die Fähigkeit, in ausdrucksvollen Metaphern nie zu viel oder zu wenig zu sagen, dem Leser mit nur wenigen Sätzen spüren zu lassen, wie sich denn etwas anfühlt – in einer Weise, dass man zu nicken versucht ist, so, ja, genau so … Zur Handlung: Ein mäßig erfolgreicher Schriftsteller beginnt eine Liaison mit einer 16 Jahre jüngeren Frau, einer Auszubildenden in einer Buchhandlung (die dann später an die Universität geht und Theaterwissenschaften studiert). Die Stationen dieser Beziehung werden über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren beschrieben – bis zu ihrem tragischen Ende (eine Tragik, die des Melodramatischen nicht ganz entbehrt). Und während die Darstellung des Schriftstellers noch einigermaßen gelungen erscheint, kann das von der Beziehung bzw. den erotischen Abenteuern des Protagonisten, den Frauenfiguren nicht behauptet werden. Abgesehen davon, dass mich explizite Schilderungen sexueller Handlungen enorm langweilen (dabei ensteht in mir immer der Eindruck, dass da ein Autor einen Mut unter Beweis zu stellen versucht, der längst kein Mut mehr ist, weil es keinen Mangel gibt an solchen Darstellungen), ist die Gestaltung dieser Verbindung(en) (denn Wolf, der Protagonist, unterhält mit einer ehemaligen Freundin ein fast nur auf das Sexuelle sich beschränkendes Verhältnis) wenig nachvollziehbar. Die Einzelszenen als solche (vom Geturne in den Betten einmal abgesehen) sind voll Witz und überaus geistreich, aber aus all dem will kein wirklicher Roman werden.

Als während eines Urlaubs der Schriftsteller (Wolf) seiner Alina seine Zweitbeziehung in einem Anflug von verquerer Ehrlichkeit (eigentlich möchte er sich nur selbst befreien oder entlasten, um Wahrheitsliebe ist es ihm da nicht zu tun) gesteht, kommt es zu einem kurzen Eklat, dann aber schickt sich Alina – hochherzig – in die Situation. Denn man ist aufgeschlossen und will sich von derlei bürgerlichen Vorurteilen doch das Leben nicht vergällen lassen (was sie dann natürlich trotzdem tun). Ob sie da schon von ihrer unheilbaren Krebserkrankung weiß, bleibt unklar, ihr Freitod in dem Moment, als sich durch einen Hauskauf die Möglichkeit bietet, die angeschlagene Beziehung zu retten, bildet den Abschluss.

Betrüblich für den Leser und entscheidend für das teilweise Misslingen des Romans ist die mangelnde Plausibilität des gesamten Handlungsverlaufs. Schon die Beziehung von Wolf und Alina bleibt blass; dominanter, älterer Mann und hingebungsvolle, jüngere Frau leben zunehmend nicht mit-, sondern nebeneinander. Die sexuellen Eskapaden Wolfs sind ermüden, die nur auf Sexualität aufbauende Beziehung zu seiner früheren Geliebten wird verstehbar am ehesten mit einem Psychoratgeber in der Hand (die Geliebte liefert nach einem Streit dem offenbar diesbezüglich tumben Wolf die Erklärung für sein Verhältnis zu ihr, das ihn vor Trostlosigkeit und Resignation bewahrt in seinem gepflegt langweiligen Zuhause, ihm wohl auch die Kraft zum Schreiben gibt). Dazu kommt noch ein weiterer Handlungsstrang, Wolfs erkaltete Freundschaft zu einem älteren Schriftsteller, der ihm einst Mentor und Führer in die Welt der Literatur war. Nach einer Auseinandersetzung (als der Jüngere aufbegehrt und die Überlegenheit des Älteren nicht mehr anerkennen will) bleiben sie viele Jahre ohne jeden Kontakt. Ein Besuch des Älteren wird zum Fiasko, man hat einander nichts mehr zu sagen und trennt sich im Bewusstsein, dass jede geistige Verbindung erloschen ist. Sander, der Ältere, stirbt dann ausgerechnet einen Tag nach dieser letzten Aussprache (die diese Bezeichnung nicht verdient), auch dies eine Art von Effekt, auf die Rothmann in anderen Büchern zum Glück verzichtet.

Immer wieder hatte ich in diesem Buch den Eindruck, dass hier ein Schriftsteller ganz bewusst Schriftsteller sein will, dass er nicht erzählt, weil ihn eine Thematik dazu drängt, sondern um des Schreibens willen (so etwas erinnert mich an Martin Walser). Trotz manch wunderbarer Beschreibungen wird aus den disparaten Teilen kein Roman – und das Zuviel an Pathos und Daramatik lässt manchmal Effekthascherei vermuten. Ein hervorragender Schriftsteller, der hier weit unter Normalform agiert.


Ralf Rothmann: Feuer brennt nicht. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2009.

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