Blog, der (auch das):

Für einmal bin ich pünktlich zur Party. Es handelt sich aber auch um unsere eigene Geburtstagsfeier … Heute vor 10 Jahren nämlich, am 17. Oktober 2011, haben wir mit drei Beiträgen (je einem zu Jean Paul, zu Walt Whitman und zu Dylan Thomas) den Blog von litteratur.ch zum Leben erweckt. Die Webseite selber (nämlich das zugehörige Forum) ist rund 2¼ Jahre älter, aber eines Tages beschlossen wir, dass unsere Meinung zu uns wichtigen Büchern so im Internet platzieren wollten, dass man diese einfacher finden könnte, als dies mit einer Forensoftware möglich ist. Wenn man uns damals gefragt hätte, ob wir glauben, dass wir in 10 Jahren noch immer auf dem Markt wären … Aber, offen gesagt, habe zumindest ich damals einfach angefangen, ohne mir Gedanken über die Zukunft dieses Blogs zu machen.

2011 waren Literatur- bzw. Buchforen gerade noch so lebendig, und entsprechende Blogs waren auf dem Höhepunkt ihres Glanzes. Was dann kurze Zeit später in der offiziellen Anerkennung durch die beiden großen Buchmessen des deutschen Sprachraums gipfeln sollte, wo seither Blogger:innen den professionellen Journalist:innen gleichgestellt sind. Ich gebe zu: Das erste Mal in Frankfurt, und dann auch noch das erste Mal in Leipzig war ich ungeheuer stolz auf diese Anerkennung. Aber, wie es so ist: Mit der Gewohnheit kam der Ekel – ich würde heute nicht mehr hingehen.

Weiter in der Geschichte: Bereits zwei, drei Jahre nach unserem Einstieg in die Welt der Literaturblogs sollten als erstes die Foren an Glanz verlieren; dann, vor nunmehr ebenfalls etwa zwei oder drei Jahren, waren auch Blogs nicht mehr in Mode. Viele der Blogs bzw. Blogger:innen, die 2011 die großen Stars und Vorbilder von uns kleinen waren, haben seither aufgehört. Änderung der Hauptinteressen, der beruflichen Situation, der privaten Umstände (Heirat, Kinder) waren in den meisten Fällen schuld daran. Einige aber fühlten sich von ihrem Bloggen unter Druck gesetzt und hörten deshalb auf, und mindestens zwei Blogger:innen sind in der Zwischenzeit gar verstorben. Heute sind es wohl eher Video-Blogs auf YouTube (so genannte Vloggs bzw. BookTuber:innen), die den letzten Schrei darstellen und welche, die auf Instagram Bücher in die Kamera recken. Auf beiden Plattformen wird man uns nicht finden, weil gerade der Umstand, dass wir nicht von irgendwelchen Entscheiden Dritter abhängig sein wollten, dazu geführt hat, dass wir uns 2009 für ein eigene Webseite entschieden.

À propos „Buch in die Kamera recken“: Damals, 2011 und folgende, war gerade der Streit zwischen professioneller Buch- bzw. Literaturkritik einerseits, den von Amateuren und Amatricen betriebenen Blogs andererseits auf seinem Höhepunkt. (Tatsächlich stammt auch die Unterscheidung von Buchblogs und Literaturblogs aus jenem Streit, indem nämlich die Blogger, die für sich in Anspruch nahmen, ‘seriöse’ (will sagen: fundierte) Texte über Texte zu schreiben, sich ‘Literaturblog’ nannten, im Unterschied eben zu den ‘Buchblogs’, in denen die Betreiber:innen mehr aus dem Bauch heraus ihre Lieblinge in den Himmel hoben – und schlechte Kritiken gar nicht erst veröffentlichten, weil sie sich selber schlecht dabei vorkamen.) Den Unterschied zwischen Profis und Amateuren / Amatricen habe ich nie ganz begriffen. Schon vor 10 Jahren gab es bekannte Kritiker:innen, die dennoch als ‘seriös’ galten, obwohl sie seit langem schon nur noch plakative Imperative in die Kamera krähten. Oder eben auch Bücher in dieselbe reckten und „Lesen!“ schrien. Und jener Kritiker, der sich auch schon mal das Gesicht schwarz anmalt oder ein Buch anzündet, treibt auch nur das Metier eines BookTubers – mit ein bisschen mehr finanziellen Mitteln allerdings und auf einer anderen primären Plattform. Und auf der andern Seite treiben (ehemalige) Literaturblogs heute in Richtung elektronisches Feuilleton – mit bezahlten Beiträgen, die in ihrer die Welt erklären wollenden Attitüde das ‘große’ Feuilleton perfekt imitieren – bis hin zur letztendlichen Bedeutungslosigkeit ihrer Beiträge.

All dies sind natürlich keine profunden, mit Studien unterfütterten Untersuchungen, sondern meine ganz persönlichen Eindrücke. Man muss ja seinem Ruf als privater kleiner Blog gerecht werden. Außerdem fehlen mir tatsächlich Zeit und Mittel für eine ausgedehnte Studie. Vielleicht liest ja jemand diesen Text, der darüber verfügt. Wir sind zu klein und nicht gewillt, daran etwas zu ändern. In den ganzen 10 Jahren unserer Existenz haben wir es noch nicht einmal auf jene von einem Mitblogger (der übrigens auch schon mehr über Bücher gebloggt hat als aktuell – Heirat und Kinder sind eine schlechte Voraussetzung für intensives Betreiben eines Blogs), haben wir es doch, wollte ich sagen, in all den Jahren immer noch nicht auf jene Liste von Buchblogs geschafft, die jener Blogger betreibt, und wo sich unterdessen, wenn ich mich recht erinnere, rund 1200 Blogs tummeln. Wie aktiv diese allerdings sind, habe ich nicht überprüft. Die meisten scheinen auch Nischen-Genres zu bedienen.

Wobei wir uns in unserer Nische ganz wohl fühlen … Und nein: Gedanken über die weitere Zukunft dieses Blogs mache ich mir immer noch nicht. Bis auf Weiteres werden wir so fortfahren, wie wir begonnen haben: Aperçu um Aperçu …

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