Anna Dünnebier / Gert v. Paczensky: Leere Töpfe, volle Töpfe. Die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens

Ein Buch mit den Maßen 30x22x5 cm und einem entsprechenden Gewicht qualifiziert wohl problemlos als ‚Coffee Table Book‘. Und wenn es eines ist über die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens wohl doppelt. Das Buch ist auch sonst sehr schön ausgestattet: Ziemlich genau 500 Seiten, großzügig bedruckt, angenehmes Papier und angenehme Lettern, zeitgenössische Abbildungen. Ein Anhang mit Anmerkungen, Literaturverzeichnis, Namens- und Sachregister sowie einem Bildnachweis verstärkt den Eindruck eines sauber gemachten Sachbuchs zum Thema Essen und Trinken. Eine Lektüre demnach, auf die ich mich freuen durfte, dachte ich.

Leider wurde die Freude rasch getrübt. Den Autoren schwebte wohl nichts Geringeres vor als ein Rundumschlag durch die ganze Geschichte des Essens und Trinkens. Sie haben dementsprechend ungeheuer viel Information gesammelt und geben sie nun wieder. So weit, so gut. Aber ich erwarte von einem guten Sachbuch nicht nur präzise Informationen; ich erwarte auch, dass die Autoren eines Sachbuchs in der Lage sind, diese für mich einzuordnen. Das aber fehlt leider hier über weite Strecken. Da ist zum Beispiel die Sache mit der Ausbreitung von Nahrungsmitteln. Es gibt die Theorie, dass die wirtschaftliche Macht der weißen Europäer daher stammen, dass sie als einzige in der Lage waren, im Übergang von der Jägerkultur zur Bauernkultur gewisse Pflanzen mehr und mehr zu domestizieren. Die beiden Autoren werfen nun in den Raum, dass neueste Forschungsresultate zeigten, dass es nicht nur diese „Weizenkultur“ gegeben habe, sondern auch in Asien eine Yams-Wurzel-Kultur und eine Reiskultur, die einfach von der Forschung weniger beachtet worden seien. Das sind dann so Gesprächsfetzen, die ich beim Cocktail im Small Talk unterbringen kann, wo keiner von mir genaue Informationen verlangt. In einem Buch möchte ich dann schon mehr wissen. Aber die Autoren belassen es bei diesem Fetzen. Leider ist das nicht das einzige Beispiel, wo in diesem Buch einfach nur stapelweise Informationen abgelegt werden, ohne dass die Autoren willens oder in der Lage sind, sie für den Leser einzuordnen. (Und das Ganze ist ja keineswegs ein Lexikon, wo so etwas noch verständlich wäre!)

Auch sonst ist mir die Struktur des Buchs nicht klar. Es beginnt mit den ersten Spuren menschlichen Kochens, die sich entdecken ließen, steht dann irgendwann bei der Armenküche: es folgt ein früher Luxus, was logisch zum Thema Gewürze führt. Dann sind wir beim Trinken, nämlich beim Alkohol (Wein und Bier) und beim Wasser, worauf plötzlich das Patriarchat folgt, während Kaffee, Tee oder Kakao erst 200 Seiten später besprochen werden. Bei Thema ‚mit Tabu belegte Lebensmittel‘ können die Autoren auch nicht mehr sagen, als dass man nicht weiß, woher solche Tabus stammen – lamentabel für 500 Seiten. Über mögliche Gründe des Siegeszugs von Kaffee und Tee konnte Wolfgang Schivelbusch mehr und Genaueres sagen – und Schivelbuschs Buch figuriert im Literaturverzeichnis! Aber gelesen hat man es offenbar nicht.

Zugegeben, es ist nicht alles schlecht in diesem Buch. Wie es dazu gekommen ist, dass heute große Teile der Welt Hunger leiden, wie Kolonialismus und Sklaverei den afrikanischen Kontinent ausgelaugt haben, wie die WTO völlig falsche Anreize setzt (nämlich welche, die gut sind für den reichen Westen, die Wirtschaft der armen Länder Afrikas aber nur noch mehr vom Westen abhängig und kaputt machen), wie gut gemeinte Hilfe kontraproduktiv wirkt, weil die externen Helfer nicht merken, dass sie den Frauen Ghanas ihre Reisfelder wegnehmen und den Männern in die Hand geben – so, dass die Frauen ihre Altersversicherung verlieren und gleichzeitig zu Arbeitskräften ihrer Männer herabgesetzt werden, worauf man sich dann fragt, warum nun entgegen der Theorie nicht mehr Reis produziert wird – diese Teile sind im Rahmen eines allgemeinen Überblicks sehr gut gelungen und empfehlenswert.

Alles in allem wäre weniger vielleicht mehr gewesen. Oder dann noch mehr: mehr Ordnung, mehr Struktur, mehr Analyse und Zusammenhänge. Und das Kapitel über die Starköche hätte man sich sparen dürfen, ebenso wie das letzte über 3000 Jahre Gastronomiekritik. In diesen beiden Kapiteln erfährt man nämlich – gar nichts.


Anna Dünnebier / Gert von Paczensky: Leere Töpfe, volle Töpfe. Die Kulturgeschichte des Essens und Trinkens. Illustriert mit 62 Abbildungen. Berlin: Die Andere Bibliothek, 2021.

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