Robert Louis Stevenson: Travels with a Donkey in the Cévennes [Reise mit einem / dem Esel durch die C.]

Wir kennen im deutschen Sprachraum den Schriftsteller Robert Louis Stevenson kaum, wage ich zuu behaupten. Ja, sicher – die Schatzinsel kennen wir alle und wahrscheinlich auch noch Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Aber, nichts für Ungut: Damit kennen wir nur den kleinsten und auch noch einen eher schwachen Teil seines Werks. Sein ganz großer Roman, Der Master von Ballantrae mit seinen verzweifelt inakkuraten Erzählern, oder seine reife Meisterleistung der Darstellung britisch-kolonialen Denkens in all seiner Inkonsequenz (ein Denken, das – mutatis mutandis – bis heute existiert), Der Strand von Falesá, sind bei uns allenfalls Geheimtipps. Seine kurzen Schauer- und Horrorerzählungen, von denen vor allem die in der Südsee handelnden der Spätzeit dem Doppelgänger-Horror des Dr. Jekyll und Mr. Hyde haushoch überlegen sind, kennt man allenfalls vom Hörensagen.

Aber noch weit weniger bekannt als seien wirklich gute Fiktion ist die Tatsache, dass Stevenson ein in Großbritannien nach wie vor sehr beliebter Verfasser von Reiseberichten ist und dass diese Reiseberichte sehr gut und interessant zu lesen sind. Bis heute. Immerhin sind die meisten im 21. Jahrhundert (oft zum ersten Mal) auf Deutsch erschienen, meist allerdings in Kleinverlagen; ich weiß nicht, welche Übersetzungen tatsächlich noch im Buchhandel greifbar sind. Einige seiner Reiseberichte stehen bei mir auf Englisch, und ich werde versuchen, sie nach und nach hier vorzustellen.

Als erstes also Travels with a Donkey in the Cévennes, der Bericht über eine Fußreise im September / Oktober 1878 in den Cevennen, dem südöstlichsten Teil des französischen Zentralmassivs. Zu jener Zeit handelte es sich um eine der ärmsten Regionen Frankreichs, in der sich ein paar kleine Städte fanden und vorwiegend Bauern und Hirten lebten. Für die Geschichte des Reisens ist das Buch nur schon deshalb interessant, weil es als eines der ersten von einer Fußreise erzählte, die jemand bloß zum Vergnügen unternahm. (Heute übrigens ist die Route, die Stevenson nahm, ein beliebter, offiziell ausgeschilderter Fernwanderweg.) Man ist versucht zu sagen, Stevenson habe das Wandern als Freizeitbeschäftigung erfunden. Aber er war auch einer der ersten, die freiwillig unter freiem Himmel übernachteten – also gebührt ihm auch die Ehre, das Camping erfunden zu haben. Und last but not least lesen wir auch, wie sich Stevenson vor seiner Abreise eine der frühesten uns bekannten Versionen eines – Schlafsacks schneidern ließ.

Stevenson wanderte allerdings nicht allein. Seine ständige Begleiterin war eine Eselin namens Modestine. Manche Seiten sind ihr und ihrem oft unvorhersehbaren Betragen als Packtier gewidmet, und sie ist die eigentliche Hauptfigur dieser Erzählung. Alle anderen, alle Menschen, kommen nämlich nur (im wahrsten Sinn des Wortes) en passant vor – als einigermaßen flüchtige Begegnungen unterwegs.

Im Lauf der Reise schiebt sich dann noch ein Thema in den Vordergrund, das man vielleicht in einem Reisebericht nicht unbedingt erwarten würde. Die Gegend, durch die Stevenson wandert, war nämlich jene, in der (ungefähr 1702) eine protestantische Rebellion durch Louis XIV blutig unterdrückt worden war. Bis in Stevensons Tage erinnerten sich die Nachkommen der Kämpfer auf beiden Seiten immer noch an jene Auseinandersetzungen, die Stevenson auch kurz schildert. Dennoch können sie in seiner Sicht nun miteinander leben; und wenn es welche gibt, die nach wie vor missionarischen Eifer bezeugen, sind es offenbar Katholiken. Ziemlich früh auf seiner Reise übernachtet Stevenson einmal in einem Trappisten-Kloster. Nun sind die Mönche selber zwar gut erzogene Gentlemen, die den Fremden nicht nach seiner Religion fragen, aber zwei weitere Gäste, ein katholischer Pfarrer und ein ehemaliger Offizier, der bereits halb und halb überzeugt ist davon, dem Kloster als Novize beizutreten, können es nicht unterlassen, beim gemeinsamen Frühstück den Fremden zu bekehren zu versuchen. Sie erreichen mit ihrem Wortschwall allerdings nur, dass Stevensons gute Laune verschwindet und erst wieder zum Vorschein kommt, nachdem er die Schwätzer hinter sich hat lassen können. In den protestantischen Gebieten, in die er im zweiten Teil der Reise eintritt, geschieht ihm das, so jedenfalls seine Darstellung, nicht mehr – obwohl er als Kind eines strengen schottischen Protestanten einer anderen Ausrichtung des Protestantismus angehört hätte, wenn er zu jener Zeit sich nicht sowieso schon gänzlich von christlichen Dogmen gelöst und als Atheist betrachtet hätte.

Ein lebhafter und lesenswerter Reisebericht also.

PS. Stevenson erzählt uns alles – außer den ursprünglichen Motiven für diese Reise. Er unternahm sie nämlich, weil er einerseits sich von der finanziellen Unterstützung durch seine Eltern befreien und (faute de mieux) als Schriftsteller etablieren wollte; andererseits war sie ein verzweifelter Versuch, sich innerlich von der Liebe zu einer verheirateten Amerikanerin zu lösen, mit der er eine Affäre gehabt hatte, die aber gerade zurück zu ihrem Mann nach Kalifornien gereist war – Frances „Fanny“ Matilda Van de Grift Osbourne.

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