Paul Paulsen ist Drechslermeister in einer kleinen Stadt an der See, wie es sein Schwiegervater einmal formulierte. Seinem Äußeren nach muss er friesischer Herkunft sein; seine dunkelhaarige und dunkeläugige Frau verrät auch in ihrer Sprache immer noch ihre süddeutsche Herkunft. Bei diesem Paulsen nimmt ein junger Mann (wohl eher noch ein Junge) Unterricht in der Kunst des Drechselns. Der Junge hat sich das offenbar als Hobby (wie wir heute sagen würden) ausgesucht. Er stellt auch das eine oder andere nützliche Ding für den Haushalt her; deshalb hat sein Vater wohl beschlossen, ihn ein paar Stunden bei Paulsen nehmen zu lassen, auf dass er vom Profi ein paar Kniffe und Tricks erlerne. Es bildet sich bald eine Art Freundschaft zwischen Paulsen und dem Jungen, und er darf ihn und seine Frau auch schon mal nach Feierabend besuchen kommen.
Eines Tages hört der Junge den Begriff Pole Poppenspäler für Paulsen. Er hat das noch nie gehört und fragt am nächsten Tag (er ist eingeladen zur Feier des Hochzeitstages) bei Paulsen nach. Der reagiert zunächst verärgert, beruhigt sich dann aber wieder und erzählt dem Jungen die Geschichte, wie er zu seinem Namen gekommen ist.
Wir haben hier also die von Storm oft verwendete Form von Rahmen- und Binnenerzählung vor uns. Anders als in anderen Novellen hält sich der Autor hier aber mit (melo-)dramatischen oder gar tragischen Ereignissen sehr zurück. Eine Andeutung, dass die Haft, in die der nachmalige Schwiegervater unschuldigerweise geraten ist, seinen Lebensmut gebrochen habe, entpuppt sich im weiteren Verlauf der Geschichte als übertrieben. Der Alte setzt sich zwar definitiv zur Ruhe und zieht zu seinem Schwiegersohn Paulsen, wo er aber noch einige Jahre recht vergnügt lebt. Als es ihn dann aber noch einmal packt, er noch einmal eine Aufführung durchführen will, muss er erleben, dass die Zeiten rauer geworden sind. Der Pöbel stört seine Aufführung so empfindlich, dass er abbrechen muss. Erst dies wird seinen Lebenswillen brechen. Doch das ist Jahrzehnte her, und in der Gegenwart lebt Paulsen ein glückliches Leben mit seiner Lisei, der Tochter des Puppenspielers.
Storm hat sich offenbar in dieser Geschichte einige Zurückhaltung auferlegt. Diese ist wohl dem Umstand geschuldet, dass sie für eine Zeitschrift geschrieben wurde, die nicht nur für die Deutsche Jugend bestimmt war, sondern auch so hieß. So wird auch der Zwiespalt zwischen Künstlertum und Bürgertum nur angedeutet: Der Knabe Paul empfindet eine plötzliche und ihm selber unerklärliche Faszination für das Puppenspiel des in seiner Stadt durchziehenden Mechanikus Tendler. So fasziniert ist er, dass er nicht ruht, bis er mit der Tochter des Puppenspielers, Lisei, Kontakt geknüpft hat, und sie gar überredet, ihn ins Magazin des Spielers zu lassen, wo die Puppen, allen voran der Kasperl, aufgehängt sind. Dies und der Titel Pole Poppenspäler lassen nun eigentlich erwarten, dass wir im Folgenden die Geschichte lesen eines, der seine bürgerliche Herkunft von sich wirft und zum Künstler (wenn auch nur zum Puppenspieler) wird. Doch als sich der Puppenspieler verabschiedet, verläuft der Abschied von Lisei zwar tränenreich, auch rennt der kleine Paul den Abreisenden noch ein Stück nach – aber er bleibt zu Hause und wir werden ihn später finden, wie er, dem Brauch folgend, in Mitteldeutschland als Drechslergeselle im Haus einer fremden Meisterin lebt und sich darauf vorbereitet, in Nachfolge seines unterdessen verstorbenen Vaters dessen Drechslerbetrieb zu übernehmen.
Storm hat selber von diesem Text als von einer Novelle gesprochen; ich persönlich würde eher von einer „Idylle“ sprechen. Konflikte sind kaum vorhanden und brechen kaum auf. Die bösen Buben des schwarzen Schmidt (seines Zeichens ebenfalls Meister in derselben Stadt wie Paulsens Vater, aber einer, der seinen Betrieb und auch seine Söhne verlottern lässt) tauchen aus dem Nichts auf und verschwinden dann fast ebenso vollständig. Konservativ-biedermeierlich bis in die Knochen ist das Ganze. Dennoch hat der Text überlebt – ob bis heute, könnte ich zwar nicht sagen, aber in meiner Schulzeit haben wir ihn noch gelesen. Ich muss elf oder zwölf gewesen sein, und Pole Poppenspäler figurierte nicht nur in unserem Lesebuch – der Lehrer hat es tatsächlich mit uns gelesen. An viel mehr erinnere ich mich allerdings nicht, nur dass bis heute bei der Nennung des Titels dieser Novelle vor meinem geistigen Auge ein Bild aufscheint eines Fahrenden mit seiner Tochter (die Mutter, die ebenfalls anwesend sein müsste, fehlt bei mir), der auf dem Feldweg vor unserem Haus auftaucht. (Denn mit elf oder zwölf machte ich mir noch Bilder von meiner Lektüre; mangels weitläufiger Welterfahrung war aber alles in der näheren Umgebung meines Wohnortes angesiedelt.) Wieder darauf gestossen bin ich im Zusammenhang mit meiner Beschäftigung mit dem Teufel als literarischem Motiv, und da wiederum in der Untergruppe der Beschäftigung mit den diversen Faust-Variationen, die vor allem in der deutschen Literatur existieren. Das Stück nämlich, dessen Aufführung Storm den alten Paulsen in extenso schildern lässt, ist kein anderes als das Puppenspiel des Doktor Faust. Ob es tatsächlich die von uns vorgestellte Simrock’sche Bearbeitung war, die Storm vor Augen hatte beim Abfassen seiner Schilderung der Aufführung, will ich nicht entscheiden. Pole Poppenspäler stammt von 1874, Simrocks Bearbeitung des Puppenspiels von 1846 – es könnte also sein. Oder konnte sich Storm noch an ein eigenes Erlebnis erinnern? Das ist zwar nicht unmöglich, aber doch unwahrscheinlich.
Summa summarum jedoch ist zu sagen, dass die Novelle eine Lektüre für Leute ist, die’s gerne zwischendurch mal sentimental und geistig nicht allzu belastend mögen und doch nicht gleich zu einem Cora-Heftchen greifen möchten.