Als kleines Häppchen zwischendurch, und weil mich gerade erst Herder an diesen Mann erinnert hat, der einer der ganz großen Satiriker der deutschen Literatur darstellt, hier ein Hinweis auf eine von dessen besten satirischen Gelegenheitsschriften. Lichtenberg schrieb dergleichen von Zeit zu Zeit, wenn ihm gerade ein Thema besonders sauer aufstieß oder eine umlaufende Mode allzu komisch vorkam.
Hier fingiert er einen Brief der Erde an den Mond, genauer: ein Sendschreiben, also ein offizielles Dokument, das ein Fürst an – zum Beispiel – einen seiner Minister sendete. Hier ist nun die Erde als (wohl absolutistisch regierend gedachte) Monarchin vorgestellt, die sich an ihren Trabanten und Untergebenen wendet, den Mond. Der Text umfasst bloß ein paar Seiten und könnte im Grunde genommen als leicht gestreckter Aphorismus gelten. Allerdings packt Lichtenberg in die paar Seiten des Textes mehr als nur ein Thema, mehr als nur ein Pointe. Er macht sich über die – zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieser Satire noch gar nicht so lange beigelegten – Streitereien zwischen Katholiken und Protestanten über die Länge des Kalenderjahres und die korrekte Berechnung des Osterfestes ebenso lustig wie über den satirisch daraus abgeleiteten Umstand, dass an der Universität Göttingen Sommer- und Wintersemester nicht gleich lange dauern. Besonders die literarischen Moden der Dichter und Denker, deren sprachtheoretischen Marotten wie zum Beispiel, dass an jedes deutsche Wort ein ‚a‘ gehängt werden sollte zwecks besserem Wohllaut der Sprache (er hat hier insbesondere Klopstock im Visier, aber auch Friedrich II., selbst wenn er keine Namen nennt) sind ihm ein Dorn im Auge.
Der Ton des Sendschreibens ist in jenem herablassend-leutseligen Ton gehalten, den damals absolutistische Herrscher anzunehmen pflegten, wenn sie sich herbei ließen, mit Vertretern des gemeinen Volks zu kommunizieren. (Bei den Vertreterinnen war es dann – je nachdem – nochmals ein anderer Ton, aber der Mond ist hier männlich gedacht.) Im relativ liberalen Göttingen steckt Lichtenberg mit dieser Satire seine Nase schon recht weit aus dem Fenster.
Es sind ein paar hübsche, kleine Spitzen versteckt in diesem Text von 1780, den Lichtenberg in seiner Hauszeitschrift, dem Göttingischen Magazine, erstmals veröffentlichte. Auch heute noch ist er praktisch in jeder Auswahlausgabe der Werke Lichtenbergs zu finden und ich kann ihn nur empfehlen.