Nasrin Schuppli: Traum aus Nacht und Schatten

Das Bild zeigt den oberen Teil eines Kranzes aus schwarzen Federn, über den auf der linken Seite einige hellen Lichtpunkte verstreut sind. Der Hintergrund ist ebenfalls schwarz. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Einige, geneigtes Publikum, mögen sich noch erinnern, dass ich vor etwas mehr als zwei Monaten die 1. Bodensee Buchmesse besucht und anschließend über meinen Besuch berichtet habe. Am Ende meines Berichts habe ich vermerkt, dass ich dort auch zwei Bücher gekauft hatte, über deren Lektüre ich bei Gelegenheit hier berichten würde. Nun ist es so weit. Ich werde heute hier das erste Buch vorstellen (das ich, um genau zu sein, aber als zweites gekauft habe damals).

Ich habe in meinem Bericht davon erzählt, dass ich bei der Lesung anwesend war einer jungen Frau, die aus ihrem gerade erschienenen Fantasy-Roman las. In meinem Bericht fand ich, dass ihre Sprache zur Überdetermination neigte – sprich: zu viele unnötigen Adjektive und Adverbien verwende. Das muss ich hier korrigieren: Vielleicht war der Ausschnitt diesbezüglich schlecht gewählt, vielleicht höre ich das beim Vortragen auch einfach nur eindringlicher als bei eigenem Lesen. Ja, es gibt diese Überdeterminationen, aber sie halten sich in Grenzen und haben mich bei eigener Lektüre jedenfalls nicht sehr gestört.

Das Buch ist dieses Jahr (2024) in einem Schweizer Kleinverlag erschienen (Riverfield), der aber – soweit sich das über die Homepage eruieren lässt, seriös ist (sprich: kein Druckkostenzuschuss-Ding macht und im Impressum auch ein Korrektorat ausweist, das, vermute ich, auch lektoriert). Die Aufmachung des Buchs ist die aktuell modische, mit einem Farbschnitt ringsum, der das Motiv des Coverbilds mit schwarzen Federn und goldenen Punkten aufnimmt und weiterführt. (Die Autorin, Nasrin Schuppli, hat mir beim Kauf an ihrem Stand auch eine kleine schwarze Feder mit eingepackt, was ich erst zu Hause gesehen habe. Nicht wissend, was ich damit sonst machen sollte, habe ich sie, offen gesagt, weggeworfen.)

Schwarze Federn sind dann auch ein wiederkehrendes Motiv im Roman. Es geht darin, grob gesagt, um einen Traumdieb, ein uraltes nicht irdisches Wesen, das zusammen mit anderen mythologischen Wesen die Ursache finden muss, warum seine aus gestohlenen Träumen hergestellte Welt plötzlich mehr und mehr mit der realen Welt verschmilzt – was nicht zu seiner und der übrigen Wesen Gutem wäre, und auch die Menschheit bedroht. Ihm hilft bei seiner Aufgabe eine junge Menschen-Frau, die nach dem Tod ihrer Eltern vereinsamt in einem alten Haus lebt, begleitet nur von ihrem kleinen Hund. Es zeigt sich, dass in ihr unbekannte Kräfte stecken, dass sie über die weiße Magie verfügt, die zusammen mit der schwarzen des Traumdiebs den Bösewicht – denn hinter den oben geschilderten Phänomenen steckt ein Urheber, der die Weltherrschaft übernehmen will – besiegen kann.

Das Buch beginnt ziemlich gemächlich, was ich hier durchaus als positiv vermerkt haben will. Schuppli lässt sich Zeit, ihre Welt aufzubauen, wodurch sie sehr atmosphärisch wirkt. Die Geschichte nimmt dann schon Tempo auf, um in einem furiosen Show-Down zu enden. Mit der Quest der schwarzen und der weißen Magie verwoben ist auch eine Liebesgeschichte der beiden. Wer „spicy“ (so nennt man das, glaube ich, aktuell, weil man sich in den USA nicht getraut, öffentlich das Word ‚Sex‘ zu verwenden) … wer also „spicy“ Dinge sucht, braucht das Buch gar nicht erst in die Hand zu nehmen. Im Gegenteil: Mit seiner Atmosphäre hat mich der Roman zu Beginn an jenen Roman erinnert, mit dem Stefan Bachmann (heute definitiv ein Kinderbuch-Autor) damals seinen Überraschungserfolg feierte, Die Seltsamen. Ich würde Nasrin Schuppli einen solchen Überraschungserfolg ebenfalls gönnen; ihre Geschichte ist nicht schlechter als die Bachmanns. Die magische Welt, die sie uns vorstellt, ist konsequent konstruiert und durchaus eigenständig. (Einzig, dass sie sich bei der Namensgebung ihrer magischen Wesen an der germanische Mythologie orientiert, müsste ich ihr ankreiden, aber das scheint aktuell en vogue zu sein.) Es wurden dann im Lauf der Geschichte die Anklänge an Bachmann immer geringer, dafür fühlte ich mich an die Fantasy eines ganz Großen erinnert: Lord Dunsanys Die Königstochter aus Elfenland.

Ein witziges Detail am Rande: Im Internet liest man, dass Nasrin Schuppli nicht nur gelernte Köchin ist sondern auch ein leidenschaftlicher Bücherwurm. Tatsächlich spielen immer wieder Passagen ihres Romans in Buchhandlungen oder Bibliotheken. Wobei die Bücher dann eher der Bildung der Atmosphäre dienen, als dass sie zur Auflösung des Falls beitragen würden. Schuppli lässt ihre Protagonistin sogar Bücher kaufen, darunter auch – Descartes‘ Meditationen, in die sie sogar hineinliest, die sie aber nicht versteht und die ihr auch nichts bringen. Nun ja, so ganz ohne Hilfsmittel, Vorbereitung und Vorkenntnisse gleich mit diesem Text in die Philosophie einzusteigen, ist nachgerade verwegen. Ich vermute, Schuppli wollte hier eher den kundtun, dass nicht (nur?) der Verstand sondern (auch?) das Gefühl wichtig ist im Leben eines Menschen. Gegen den Schluss des Romans wird dieses Thema variiert wieder aufgenommen, wenn es darum geht, dass die Protagonistin lernt, sich nicht durch die schlechte Meinung anderer über sie psychisch herunterziehen zu lassen. (Eine Szene, in der Schuppli für meinen Geschmack dann wieder etwas zu dick aufträgt.)

Dennoch war ich summa summarum von diesem Buch positiv überrascht. Es ist sicher nicht Weltliteratur, aber grundsolide und eigenständige Fantasy, wie man sie von einem Erstling nicht unbedingt erwartet hätte. Der Roman hätte die eine oder andere lesende Person durchaus verdient.

Ansichten seit Veröffentlichung bzw. 17.03.2025: 2

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