François-René de Chateaubriand hat nicht nur das gleichnamige Schnitzel erfunden. Er ist es auch, der der literarischen Bewegung der Romantik in Frankreich zum Durchbruch verhilft – dies vor allem mit seinem Roman Atala von 1801, der Geschichte einer jungen Halbindianerin, die in einen Konflikt zwischen ihrer Liebe und ihrer Keuschheit gerät. (Den sie löst, indem sie Selbstmord begeht.)
François-René de Chateaubriand hat nicht nur das gleichnamige Schnitzel erfunden. Er ist auch recht in der Welt herumgekommen. So in wissenschaftlich-ökonomischer Mission auf dem nordamerikanischen Kontinent, wo er den noch französischen Mississippi hinauf reist, um einen Durchgang nach Norden zu finden. (Er findet nichts, ganz einfach auch, weil das dafür benötigte Geld nie überwiesen wird. Dafür trifft er den Präsidenten der jungen USA, George Washington, der ihn mit dem berühmten Ausspruch Well, well, young man! begrüsst haben soll. Die Begegnung bleibt im Übrigen ohne weitere direkte Konsequenzen. Chateaubriand hat aber später zwei Berichte über seine Reise verfasst, die heute vor allem deshalb bekannt sind, weil er darin sehr bedauert, dass die Ureinwohner Amerikas bereits von der weissen Zivilisation verdorben worden seien. Auch wenn er den politischen Ideen Rousseaus wenig abgewinnen kann, irgendwo schwebt in Chateaubriands Kopf – wie in dem so vieler Zeitgenossen – halt doch das Bild des edlen Wilden.) So London, wo sich Chateaubriand zweimal aufhält, einmal als mittelloser Emigré, auf der Flucht vor den Schergen der Französischen Revolution, dann als französischer Botschafter, wo er mit allem vom Staat bezahlten Saus und Braus leben kann.
François-René de Chateaubriand hat nicht nur das gleichnamige Schnitzel erfunden. Er hat mit Le Génie du christianisme 1802 auch eine Rehabilitationsschrift des Christentums, bzw. des Katholizismus, geschrieben, die die von den Protagonisten der französischen Revolution praktisch abgeschaffte Religion in Frankreich wieder salonfähig macht. Chateaubriand ist um diese Zeit herum selber – relativ plötzlich – gläubig geworden.
François-René de Chateaubriand hat nicht nur das gleichnamige Schnitzel erfunden. Er ist auch als Politiker und Diplomat hervorgetreten. Er hat mit seinem Bericht über das von der Türkei besetzte Griechenland (Itinéraire de Paris à Jérusalem, 1811 – er hat mehr als nur Griechenland bereist, aber der Teil über Griechenland dominiert) die philhellenistische Bewegung in Mitteleuropa bzw. bei den Romantikern (bis hin zu Hölderlin) entzündet. Aber nicht nur schriftstellerisch ist Chateaubriand als Politiker tätig, sondern auch ganz praktisch. Neben London ist z.B. auch Rom auf der Liste der Städte, in denen er als Botschafter tätig ist. Eine Zeitlang dient er auch als französischer Aussenminister. Als die französische Republik dem unglücklichen Louis XVI. den Kopf abschlägt, hält sich Chateaubriand in London auf. Er wird zurückkehren, und sich – auch durch sein Génie du christianisme – bei Napoléon beliebt machen. (Napoléon braucht zu jener Zeit die Unterstützung der französischen, der katholischen Kirche, und einen Renegaten in seinen Reihen zu haben, kann ihm nur nützlich sein.) Allerdings überwirft sich Chateaubriand mit dem Kaiser, als dieser den jungen Duc d’Enghien aus seinem Exil in Baden-Baden entführen und standrechtlich erschiessen lässt. Letzten Endes ist Chateaubriand halt doch ein in der Wolle gefärbter Monarchist und Legitimist. Sein Liebling ist – nach dem Tod Louis‘ XVI. – dessen als Louis XVIII. auf den Thron gekommener Bruder. Mit dessen Nachfolger, Charles X., klappt es weniger gut, auch wenn es der ist, der ihn als Botschafter nach Rom schickt. Nach der Julirevolution von 1830 sieht Chateaubriand Adel und Monarchie endgültig diskreditiert und zieht sich aus der Politik zurück. Sowieso macht ihm zusehends die Gicht zu schaffen.
François-René de Chateaubriand hat nicht nur das gleichnamige Schnitzel erfunden. Er hat auch mit seinen Memoiren aus dem Grab so etwas wie eine Spezialform der Autobiografie in die Welt gerufen: Erinnerungen, die erst nach dem Tod des Autors publiziert werden sollten. Dies, damit der Autor völlig ungehindert von Rücksichten uneingeschränkt seine Meinung ausdrücken kann. Das hat bei Mark Twain nicht funktioniert, und schon bei Chateaubriand funktioniert es nicht. Zu sehr ist er ins politische Tagesgeschäft verwickelt, als dass er so etwas wie einen unparteiischen Blick aus dem Jenseits liefern könnte. Vor allem Napoléon ist seine bête noire, der Mann, an dem er sich immer und immer wieder reibt, der ihm keine Ruhe lässt. Er besucht sogar sein Grab auf St. Helena. (Und wendet sich sehr dagegen, dass man Napoléons Leiche nach Frankreich überführen lässt, weil er ein Wiederaufflammen des napoleonischen Geists befürchtet. Nicht zu Unrecht, wie er noch selber erleben muss, als 1848 Napoléons Neffe zum Staatspräsidenten gewählt wird. – Dessen Putsch und Selbsteinsetzung als Napoléon III. sollte er allerdings nicht mehr erleben.) Und trotz aller Larmoyanz, die immer wieder durchdringt, sind Chateaubriands Erinnerungen lesenswert. Vor mir liegt eine von Robert Baldick ins Englische übersetzte Auswahlausgabe (die das Gewicht vor allem auf Chateaubrians Auseinandersetzung mit Napoléon legt), die 2016 bei der Folio Society erschienen ist, erstmals allerdings 1961 bei Hamish Hamilton, später bei Penguin.
François-René de Chateaubriand hat das gleichnamige Schnitzel übrigens nicht erfunden. Und wohl auch nicht sein Londoner Koch, wie man häufig liest. ‚Chateaubriand‘ als eine Zubereitungsmethode von Rindfleisch taucht schriftlich zum ersten Mal zwei oder drei Jahre nach François-Renés Tod auf, und war wohl eher als Hommage (oder doch als Verunglimpfung?) des nun als grosser Literat Geltenden gemeint.