›Marginalien… 224. Heft

Frühlingsgefühle scheinen die Herausgeber der Marginalien gepackt zu haben; jedenfalls ist das erste Heft des Jahrgangs 2017 ein Stück dicker als die Vorgänger des letzten Jahres. Wenn man allerdings genauer hinauschaut, wird man feststellen, dass dies nur der Verwendung dickeren Papiers geschuldet ist – die Anzahl Seiten ist immer noch dieselbe.

Was – neben den obligatorischen Exkursen in die Geschichte von Buchgestaltung und -illustration der DDR – finden wir denn nun? Da ist z.B. ein Beitrag von Sebastian Henning, Die Blaue Blume, über einen Radierzyklus dieses Namens von Wolfram Hämsch, der sich mit der Frühromantik befasst. Offenbar hat Henning immer noch das Gefühl, eine Auseinandersetzung mit der Romantik, und sei es eine künstlerische, gegen apodiktische Aussagen der linken Ästhetiker Brecht und Lukács verteidigen zu müssen, die über die Romantik ziemlich abfällige Äusserungen von sich gegeben haben. Hämsch beschäftigt sich nicht nur mit der ‘gemütlichen’ Seite der Romantik – was in Anbetracht der fallenden Namen (Novalis natürlich, C. D. Friedrich, aber auch Tieck, Eichendorff und Fouqué – die beiden letzteren als Frühromantiker einzustufen halte ich für gewagt) aber doch nicht ganz nachvollziehbar ist. Über die Qualität der Radierungen zu urteilen, ist schwierig: Die Reproduktionen im Text sind recht dunkel und klein geraten. Vielleicht sind es die Originale ja auch.

Thomas Reinecke schreibt über Eduard Grisebach (1845-1906) – Ein bibliophiler Weltliteratur-Sammler. Interessant für mich vor allem deswegen, weil Grisebach (hauptberuflich Diplomat in deutschen Diensten) sich eine Bibliothek zusammen kaufte, die ähnlichen Kriterien unterworfen ist, wie meine eigene: eine Kollektion der wichtigen Bücher der Weltliteratur, in zuverlässigen und schönen Ausgaben, keinem externen Kanon unterworfen, sondern auch Exkurse in den eigenen Geschmack duldend. Anders als ich hat Grisebach allerdings nicht nur Dubletten von Werken ihm wichtiger Autoren gesammelt, sondern auch immer wieder Kataloge seiner Bibliothek veröffentlicht, und wurde so, während er selber in seinem Sammeln keinem offiziellen Kanon folgte, selber kanonisch. Sprich: Man versuchte, seine Sammlung nachzuahmen. (Ich wusste bisher nichts von ihm; die Idee zu meiner Sammlung ist mir ganz von alleine gekommmen – so weit einem fleissigen Leser solche Ideen ganz von alleine kommen können: Irgendwo schnappt man immer etwas auf, oft auch, ohne sich dessen je bewusst zu werden.) Allerdings treibe ich es mit der Bibliophilie nicht ganz so weit wie Grisebach. Autografen besitze ich z.B. keine. Wenn allerdings der Bestand von Grisebachs Bibliothek zum Zeitpunkt seines Todes mit nur 2’700 Büchern angegeben ist, also nur 500 mehr als ich besitze, scheint mir Grisebach doch ein sehr disziplinierter und sorgfältiger Sammler gewesen zu sein.

Den obligaten literarischen Mittelteil in satztechnischem Experiment machen diesmal Gedichte zum Thema Papier aus. Darüber haben doch Autoren verschiedenster Provenienz geschrieben: Wir finden Bürger und Des Knaben Wunderhorn, Eichendorff und Wilhelm Müller, den mir unbekannten Friedrich Wilhelm Sauter und Rückert, sowie – etwas moderner – Dieter Hoffman und Karl Kraus.

In den Rezensionen wird u.a. Das dicke Buch vom Taschenbuch vorgestellt, eine Bestandesaufnahme der Umschlaggestaltung von deutschen Taschenbüchern in den 1950er Jahren – durchaus positiv bewertet. Oder auch die letztes Jahr bei Suhrkamp erschienene Edition von Christa Wolfs Briefen (Man steht sehr bequem zwischen allen Fronten), wo ich nicht sicher bin, ob die Darstellung Wolfs als recht unsicherer Persönlichkeit in der Edition beruht oder Sache des Rezensenten ist.

Wenn mir die Pirckheimer-Gesellschaft nun noch die Original-Grafik nachliefert, die in meiner Sendung vergessen ging, bin ich auch mit dieser Nummer der Marginalien sehr zufrieden.

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