Operetten ohne Happy Ending sind relativ selten. Die Homepage des Opernhauses Zürich spricht gar von einem tragischen Ende für Das Land des Lächelns. Aber das eine (heute leider üblich gewordene) hyperbolisch-erweiterte Verwendung des Begriffs „tragisch“. Das Land des Lächelns endet traurig insofern, als die beiden Liebenden, Prinz Sou-Chong und Lisa, nicht zu einander finden. Man kann, wenn man will, sogar dahinter das Schicksal der alten Griechen wiederfinden, ein Schicksal, das man nicht bekämpfen kann – ja, dessen Bekämpfung es nur umso schneller und umso heftiger herbeiführt. Das würde aber meiner Meinung nach den Begriff des Tragischen stark strapazieren. Einfach gesagt: Zwar können Prinz Sou-Chong und Lisa genau so wenig zueinander kommen wie Hero und Leander, aber beide überleben die Operette.
Dass trotz dieses Bruchs mit der Tradition der klassischen Wiener Operette, die ein Happy Ending verlangt, Das Land des Lächelns ein Liebling des Publikums geworden und bis heute geblieben ist, liegt vor allem an seinen eingängigen Melodien: Von Apfelblüten einen Kranz, Meine Liebe, deine Liebe und natürlich Immer nur lächeln, das seit Richard Täuber zum Markenzeichen so manchen Tenors geworden ist.
Dabei weist Lehárs Operette, wiederum entgegen der Tradition der klassischen Wiener Operette und zumindest in der Interpretation des Opernhauses Zürich, ernst zu nehmende Themen auf: Einerseits finden wir eine Darstellung der Möglichkeit, oder eben Unmöglichkeit, einer (Liebes-)Beziehung zwischen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen. Und, damit verknüpft, wird das Recht der Frau auf Selbstbestimmung thematisiert: Der eigentliche Grund, warum Lisa ihren chinesischen Prinzen verlässt, ist seine plötzlich und unmotiviert aus ihm herausbrechende Aussage, dass die Frauen die Sklavinnen ihrer Männer sind und Lisa ihm deshalb zu gehorchen und in China zu bleiben habe. Lehárs Operette schreibt das der Kultur zu, in der der Prinz aufgewachsen ist. Diesbezüglich bleibt Das Land des Lächelns dann ziemlich im Klischée stecken: Es findet keine ernst zu nehmende Diskussion der chinesischen Kultur statt, sondern es werden Klischées kolportiert. Chinesen von Rang haben prinzipiell mehrere Frauen (haben bzw. hatten sie, aber das Verhältnis der Frauen ist komplizierter, als bei Léhar dargestellt, der den Prinzen aus Staatsräson gleich vier Frauen aufs Mal heiraten lassen will); die Chinesen bedienen sich je nach Situation Buddhas oder Kǒng Fūzǐs für ihre Argumentation (ein Eklektizismus, der allerdings zu Beginn des 20. Jahrhunderts so existiert haben könnte), während die Wiener auf jede religiöse Bezugnahme verzichten.
Zur Aufführung selber: Piotr Beczala verfügt über den für Immer nur lächeln nötigen, starken und ein bisschen blechern klingenden Tenor und ist eine ideale Besetzung. Zumindest am Abend meines Besuches konnte Julia Kleiter als Lisa ihm nicht ganz die Stange halten und fiel ein wenig ab. Rebeca Olvera als Mi war, wie es die Interpretation des Opernhauses verlangte, süss und niedlich; Spencer Lang vor allem im ersten Teil als Graf Gustav von Rottenstein eine prächtige Knallcharge. Das Orchester etwas undiszipliniert, aber nicht so, dass es störte. Das Publikum ein etwas anderes, als in einer ’seriösen‘, ‚echten‘ Oper, was tatsächlich ein wenig störte.
Das Land des Lächelns
Romantische Operette in drei Akten von Franz Lehár (1870-1948)
Text von Ludwig Herzer und Fritz Löhner nach dem Libretto von Victor Léon
Musikalische Leitung: Fabio Luisi
Inszenierung: Andreas Homoki
Bühnenbild: Wolfgang Gussmann
Kostüme: Wolfgang Gussmann, Susana Mendoza
Lichtgestaltung: Franck Evin
Choreinstudierung: Ernst Raffelsberger
Choreografie: Arturo Gama
Dramaturgie: Kathrin Brunner
Prinz Sou-Chong: Piotr Beczala
Lisa: Julia Kleiter
Mi: Rebeca Olvera
Graf Gustav von Pottenstein: Spencer Lang
Tschang: Cheyne Davidson
Obereunuch: Martin Zysset
Chor der Oper Zürich
Philharmonia Zürich