Und lernen dort ihr Handwerk, um nach der Befreiung ganz Wien zu übernehmen – ob Straßenstrich oder Glücksspiel. Dabei entsteht ein Porträt des Nachkriegsösterreich, jenes Landes, das mit Zustimmung der Sowjetunion sich als erstes Opfer der Nationalsozialisten bezeichnen durfte und deshalb mangels Täter auch der Entnazifizierung nicht bedurfte. Das den Staatsvertrag der Trinkfestigkeit seiner Politiker verdankt und durch ein klein wenig Korruption und Nepotismus besticht. Ein Milieu, in dem die ehemalige „Spedition“ groß wird, sich mit der Polizei arrangiert (den Herrn Major, der ein „Politischer“ war, kennt man noch aus Dachau) und ohne allzu viele Gedanken an moralische Skrupel zu verschwenden eine blutige und ertragreiche Herrschaft etabliert. Die aber dann doch ihr Ende findet, weil sich Methoden und Menschentypus überlebt haben. Eingestreut in diese Milieuskizze sind skurrile Szenen, sexuelle Perversionen und das Schicksal zahlreicher Originale – von einem nackten schwarzen Barbesitzer bis zu einem esoterischen, mit Himmler in Kontakt stehenden Tierarzt, der im Sohn einer Hure die Reinkarnation seines Zen-Meisters zu erblicken glaubt.
Das könnte Stoff sein zu guter Unterhaltung – ist es aber nicht. Denn Schalkos bemüht legere Sprache (eine Art Wolf Haas für Arme, sehr Arme) wirkt peinlich und unbeholfen, Metaphern von unfreiwilliger Komik, hilflose Satzkonstruktionen, ein einziges stilistisches Desaster. (Wobei ich häufig nicht wusste, ob so mancher grammatikalischer Lapsus dem ungelenken Versuch geschuldet war, Gaunersprache zu imitieren oder aber ein sehbehinderter Lektor mit dem Manuskript seine liebe Not hatte. So liest man jede Menge Sätze wie „Und dass man auch in Mauthausen keine besseren Bedingungen vorfinden würde, das wurde ihnen auch schnell gewahr“ oder „die Erinnerung rührten nach eine Handvoll Schnäpsen an seiner sentimentalen Ader“ usf. Dies sind nun keineswegs seltene Stilblüten: Kaum zwei Seiten, wo sich nicht die eine oder andere zitatwürdige Stelle fände. Ist’s beabsichtigt, so ist es einfach nur schlecht (und es ist ohnehin überall spürbar, dass Schalko das typische Wiener Idion einfach fremd ist, dass hier ein gänzlich anders Sozialisierter die Sprache zu kopieren sucht), ansonsten auf ein mehr als nachlässiges Lektorat zurückzuführen: Andererseits ist dieses Buch auch mit größter Sorgfalt nicht zu retten, weil ein fortgesetzter stilistischer Supergau.)
Warum wird so etwas überhaupt verlegt – und auch noch lobend besprochen (ich wurde durch eine Literatursendung von Ö1 auf den Roman aufmerksam)? Erklärbar scheint mir das nur durch die Bekanntheit des Autors (der Drehbücher für Fernsehserien und Spielfilme schrieb: Und eine Verfilmung der „Schweren Knochen“ könnte durchaus unterhaltsam sein), kaum vorstellbar, dass man dieses Geschreibsel ansonsten hätte in einem bekannten Verlag unterbringen können. Ich kenne andere Bücher des Autors nicht (er hat eine homoerotische Farce über Jörg Haiders Beziehung zu seinem Generalsekretär Stefan Petzner veröffentlicht, in der sich letzterer wiederzuerkennen glaubt und – unklugerweise – dagegen (vergeblich) klagte), vermute aber, dass das Schreiben schlicht sein Metier nicht ist (wenigstens soweit es Romane angeht, bei Drehbüchern vermag ich das nicht zu beurteilen, die Filme, an denen Schalko mitgewirkt hat, sind mir in eher positiver Erinnerung). Ich glaube, dass er sich selbst mit diesen Ausflügen in die Literatur einen Bärendienst erweist, vielleicht sollte ihn ein guter Bekannter auf diese seine doch eher bescheidene Begabung vorsichtig hinweisen. (Leider sind solche Produkte heute inflationär: Jeder Moderator oder Kabarettist fühlt sich berufen, Bücher zu schreiben und die Verlage achten einzig auf den prominenten Namen. Offensichtlich lässt sich Derartiges trotz aller inhaltlich-stilistischen Defizite gut verkaufen.)
David Schalko: Schwere Knochen. Köln: Kiepenheuer & Witsch 2018.