Hermann Broch: Der Tod des Vergil

Stilistisch kann man Hermann Broch getrost als das Chamäleon der deutschen Literatur bezeichnen. Wir haben schon in seiner Schlafwandler-Trilogie*) gesehen, wie er von Band zu Band den Stil dem Inhalt anpasst, so, wenn er zum Beispiel in Band 1, der vorwiegend im Berlin des Jahres 1888 spielt, nachgerade wie Fontane klingt. Das gilt auch für…

Johann Gottfried Herder: Abhandlung über den Ursprung der Sprache

Es mag daran liegen, dass der vorliegende Text das erste von Herder war, das ich je (damals im Studium nämlich) zu lesen bekommen hatte. Er gefiel mir schon damals und bis heute heute halte ich ihn für etwas vom Besten und Richtungsweisendsten, das Herder je geschrieben hat – ein Text, der immer noch wichtig ist…

Johann Gottfried Herder: Ueber die neuere Deutsche Litteratur. Eine Beilage zu den Briefen, die neueste Litteratur betreffend.

Friedrich Schlegel war keineswegs der erste, der das Fragment als literatur- und metakritisches, ja philosophisches Instrument benutzte. Er gab dem Begriff ‚Fragment‘ eine sehr eigene, spezielle Bedeutung, die ihn berühmt machen sollte. Aber schon vor ihm war es der junge Herder, der Fragmente zur Literatur verfasste und dabei auch (sprach-)philosophische Probleme anschnitt. In seinem Fall…

Hanns Eisler: Johann Faustus

Hanns Eisler kennt man vor allem als Komponisten. Sein einziges literarisches Werk ist dieses Libretto hier. Der Text ist meines Wissens vollständig in der Form überliefert, die ihm Eisler gegeben hat. Die Oper aber blieb Fragment – Eisler schrieb offenbar keine einzige Note dafür. Der Grund ist die so genannte „Formalismusdebatte“, die das Libretto auslöste….

Matthias Perkams: Grundriss Philosophie in der Antike

Der Titel dieser Geschichte der antiken Philosophie verdient es, genau gelesen zu werden – Matthias Perkams hat nämlich darin seine ganz spezifische Vorgehensweise bereits definiert. In zweierlei Hinsicht will er sich von den bisherigen Geschichten zur Philosophie der Antike unterscheiden. Und da ist es eben wichtig, dass er genau nicht von einer „Geschichte der antiken…

Italo Calvino: Invisible Cities [OT: Le città invisibili / dt.: Die unsichtbaren Städte]

Einen hundertjährigen Geburtstag kann man wohl auch zwei Mal feiern. Ich habe ja gerade erst aus Anlass seines 100. Geburtstags Italo Calvinos Il barone rampante vorgestellt. Das Buch hat mir so gut gefallen, dass ich, als ich sah, dass auch bei der Folio Society ein Buch von Calvino erschienen ist (natürlich in einer englischen Übersetzung),…

Italo Calvino: Der Baron auf den Bäumen [Il barone rampante]

Am 15. Oktober 2023 jährte sich der Geburtstag von Italo Calvono zum 100. Mal. Dass ich genau an diesem Tag mit der Lektüre des vorliegenden Buchs begonnen habe, war reiner Zufall. Kein Zufall hingegen wird es wohl gewesen sein, dass die Büchergilde in ihrem Herbstprogramm diesen Roman neu aufgeführt hatte. Es handelt sich um eine…

Sarah Bakewell: Wie man Mensch wird

Universitätsdozent:innen und Schriftsteller:innen haben eines gemeinsam: Sie müssen regelmäßig mit Publikationen auf sich aufmerksam machen – in einer ersten Phase der Karriere, um bekannt zu werden, dann, um bekannt zu bleiben. Während Universitätsprofessor:innen (zumindest in den MINT-Fächern) den Ausweg gefunden haben, die Arbeiten ihrer Assistent:innen und Student:innen als Co-Autor:innen herauszugeben, bleibt dies anderen verwehrt. Besonders…

André Chénier: Poésies

Poésies: Das sind Dichtungen, also Lyrik, im vorliegenden Fall eines relativ Unbekannten, denn André Chénier (auch: André de Chénier) gehört nicht gerade zu den Autoren, die man üblicherweise im französischen (Schul-)Kanon antreffen wird, wage ich zu behaupten. Das hat verschiedene Gründe, die ich im Folgenden kurz aufzählen werde. Zunächst einmal ist André Chénier, anders als…

Hippolyte Taine: Carnets de voyage. Notes sur la province, 1863-1865

Hippolyte Taine gilt als der Vordenker des französischen Naturalismus. Dennoch habe ich hier kein literarisches, philosophisches oder literaturtheoretisches Werk von ihm ausgewählt sondern seine „Reisehefte“ aus den Jahren 1863-1865. Die sind nämlich (auch literarisch) durchaus etwas Besonderes und verdienen eine nähere Betrachtung. Hippolyte Taine war schon den Zeitgenossen auch als Verfasser von Reiseberichten bekannt. Von…