Ulrike Gastmann / Christian Bosse: Das Kamasutra des Mulls

Ja, richtig gelesen: des Mulls, nicht des Mülls. Obwohl ein Mull, wenn ich richtig gezählt habe, ein einziges Mal erwähnt wird. Und das Kamasutra gar nicht. Müll hingegen des öfteren.

Ich weiß nicht, wie bekannt die beiden Autoren außerhalb Leipzigs sind. Ich bin auf sie gestoßen im Rahmen des Rahmenprogramms „Leipzig liest“ der Leipziger Buchmesse. (Repetitiv kann ich.) Ulrike Gastmann und Christian Bosse scheinen daselbst jedenfalls recht bekannt zu sein. Der Untertitel des kleinen Taschenbuchs, das ich mir an jenem Abend gekauft und signieren lassen habe, lautet: Kolumnen 2007 – 2015. Das Büchlein verrät nicht, wo die Kolumnen erschienen sein könnten, noch, wo und wann es selber erschienen ist. Je nun, es gibt Wichtigeres…

Die einzelnen Beiträge – immer abwechslungsweise von Bosse und dann wieder von Gastmann stammend – sind (meist satirisch gehaltene) Glossen zum Leben in Deutschland und zum Leben im 21. Jahrhundert. Manchmal zum Leben im Deutschland des 21. Jahrhunderts. Ein Leben, das so viel anders auch nicht ist, als in Österreich oder der Schweiz. Natürlich sind lokale, Leipziger Reminiszenzen dabei, ebenso wie – keineswegs nostalgisch gehaltene – an die DDR. Die auch in der Schweiz grassierende Unsitte, dass einem in der Stadt (gefühlt) alle zwei Meter ein Stand über den Weg läuft, der Coffee to go und / oder mehr bzw. weniger exotisches Street Food anbietet, somit diverse, mehr oder weniger angenehme Aromen durch die Abgas-geschwängerte Luft wabern lässt. (Was mich zwanglos daran erinnert, dass auch das damals akute Darm mit Charme verwurstet wird.) Deutsches Schrebergarten-Leben (auch hier: das ist in der Schweiz nicht anders – außer, dass ein ‚Schrebergarten‘ hierzulande nicht ‚Schrebergarten‘ heißt.).

Erstaunt hat mich eine Kolumne von Ulrike Gastmann, in der sie die Freundlichkeit von Zürcher Bus-Chauffeuren lobt. Nicht nur, weil sie den Schweizerdeutschen Satz, mit dem sich der Chauffeur an der Endstation von seinen Fahrgästen verabschiedet, korrekt wiedergeben kann (sie hat offenbar einige Zeit in Zürich gelebt und gearbeitet). Sondern, weil Zürcher Bus-Chauffeure weder bei mir noch meinem Bekanntenkreis gerade als Inbegriff der Höflichkeit gelten. Ein Schicksal, das sie mit allen übrigen Stadt-Zürchern teilen…

Auch Ernsteres ist zu finden: Ein Aufruf zur Erhaltung des Geburtshauses von Ringelnatz in Wurzen. (Ob er von Erfolg gekrönt war, kann ich nicht sagen.) Immer mal wieder Plädoyers gegen Vorurteile gegenüber Flüchtlingen. Vor allem Ulrike Gastmann wird vielfach ernst. Irgendwo ist bei ihr Schluss mit lustig. Verständlich.

Alles in allem nicht die große Weltliteratur, auch nicht in satiricis. Aber teils vergnüglich, teils zum Nachdenken anregend, teils beides zusammen. Literarisches Street Food. Sozusagen.

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