Max Henning: Der Teufel

Hätte ich den Verlagsnamen bei der Bestellung des Buches gesehen, so wäre wohl nichts geworden aus einer Lektüre. (Zu allem Überfluss liest man auf der ersten Seite noch, dass dieser „Druck ausschließlich der esoterischen Forschung“ diene, mit kaum einem Hinweis hätte man mich leichter an einer Lektüre hindern können. Deshalb war die (positive) Überraschung umso größer: Von Esoterik keine Spur, sondern eine dem Monismus des beginnenden 20. Jahrhunderts verpflichtete Publikation (Ersterscheinung des Buches 1907).

Es ist eine kulturhistorische, sich hauptsächlich auf das Christentum konzentrierende Aufbereitung des teuflischen Begriffs – beginnend mit dem Parsismus, der aufgrund der Dichotomie von Gut und Böse sich als späteres Vorbild für den christlichen Teufelskult eignete. Dabei findet der Böse im Alten Testament noch kaum Erwähnung (auch die jüdische Scheol konnte mit der ausdifferenzierten Hölle des Christentums nicht mithalten), erst im Neuen Testament tritt der Teufel als Verführer Christi in Erscheinung und gewinnt in weiterer Folge immer mehr an Bedeutung (vor allem das Johannes-Evangelium ergeht sich in einer genussvollen Schilderung des Kampfes zwischen den guten und den bösen Mächten). Später werden gnostische Einflüsse übernommen (wenn man auch aus theologischen Gründen die materielle Welt nicht in gleichem Maße verdammen wollte), darunter die umfangreiche Dämonologie (unter die bösen Dämonen wurden die heidnischen Götter gezählt, wodurch jede nichtchristliche Religion als mit dem Teufel im Bunde angesehen werden konnte).

Im Mittelalter errang der Teufel sukzessive jene bedeutende Stellung, die ihn als Antagonisten Gottes kennzeichnete und der Kirche vor allem für politische Verfolgungen äußerst nützlich war. Ob es sich um Häretiker handelte, um konkurrierende Auslegungen der Schrift oder um bloße Machtpolitik und Geldgier (wie bei der Eliminierung des Templerordens) – immer wurde die vermeintliche Verbindung mit dem Teufel dazu benutzt, sich seiner Gegner zu entledigen. Henning widmet der Hexenverfolgung bzw. der Inquisition besonders viel Raum und zeigt, dass eine solche ohne den Teufelsbegriff nicht möglich gewesen wäre. Ein Teufelsbegriff, der erst mit der Aufklärung langsam zurückgedrängt wurde und im 19. Jahrhundert unter gebildeten Menschen zum Teil wieder lächerlich zu werden begann (seine tatsächliche Macht bekam der in theologischer Hinsicht durch Thomas von Aquin, der dem Teufel erstmals eigene Handlungskompetenz zugestand und ihn so zu einem wahren Widersacher Gottes erklärte; bis zu diesem Zeitpunkt war er nur der gefallene Engel, der in Passionsspielen oft zum armen und betrogenen Teufel wurde – ohne wirkliche Macht).

Henning dürfte sich als ein Anhänger Haeckels verstanden haben, er vertrat offenkundig monistische Positionen und gibt sich als Verfechter der Aufklärung und der Wissenschaft zu erkennen. Der Teufelsglaube ist für ihn untrennbar mit dem Christentum verbunden und dieses offenbar ein Hort der Dummheit und Ewiggestrigen (wogegen nun wirklich nichts gesagt werden kann). Wohl auch aus diesem Grund widmet er ein Kapitel gegen Ende des Buches dem „Taxilschwindel“, einer mehr als kuriosen Episode, die von Marie Joseph Gabriel Antoine Jogand-Pagès (später Leo Taxil) inszeniert wurde und große Teile der kirchlichen Hierarchie der Lächerlichkeit preisgab. Nachdem er kurz bei den Freimaurern war, erfand er sogenannte Satanslogen und eine Person namens Diana Vaughan, die die skurrilsten und absurdesten Anschuldigungen veröffentlichte und dabei selbst vom Papst Leo XIII. Unterstützung fand (im Alter von 10 Jahren war sie etwa mit Asmodaeus bei ihrer Hochzeitsreise auf dem Mars gewesen, Dämonen in Form von Krokodilen spielten Klavier mit dem Schwanz oder ein Mann feierte Hochzeit mit einem von einem Sukkubus besessenen Tisch). Nichts war blöd genug, um die Kirche nicht zu beeindrucken – und der Teufelsglaube der Katholiken ist noch heute dogmatische Pflicht für deren Mitglieder. – Das liest sich alles ganz amüsant und kurios, wobei das Amusement angesichts der unzähligen kirchlichen Verbrechen (die in Teufels Namen begangen wurden) denn doch eingeschränkt ist. Und es ist eine Demonstration der unglaublichsten Einfalt und Dummheit einer Religion, deren Macht auch heute noch enorm ist und die mitnichten aufgeklärter wurde: So ist der ach so hofierte Papst Franziskus ein Anhänger der Existenz Satans und hat „im ‚direkten Kampf mit dem Teufel“ entschieden, daß „jede Diözese Exorzisten zu ernennen hat'“.


Max Henning: Der Teufel. Sein Mythos und seine Geschichte im Christentum. Graz: Edition Geheimes Wissen 2019.

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