Heinrich Heine: Elementargeister

Auf dem olivgrünen Leinen des Buchdeckels ist rechts ein senkrecht laufendes Band von Jugendstil-Rankenwerk aufgedruckt. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Erschienen in Band III von Heines Salon. Heine kannte die Institution des ‘Salon’ – jenes Treffpunkts feiner Geister, in denen über Gott und die Welt diskutiert wurde. Sein Französisch war gut genug, um in Paris selber Salons besuchen und dort mitdiskutieren zu können – nicht gut genug allerdings, um Texte (auch Sachtexte) direkt auf Französisch abfassen zu können. Deshalb schrieb und veröffentlichte er sie zuerst auf Deutsch, um sie danach von einem Profi ins Französische übersetzen zu lassen. Die deutschen Texte sammelte er in den Bänden des Salon. Der Inhalt der verschiedenen Bände ist deswegen recht unterschiedlich geraten. Band III erschien 1837 und enthielt weder poetische noch politische Beiträge, sondern auf die Florentinischen Nächte, eine romantische Novelle, folgten nur noch ebendiese Elementargeister hier.

Heine war so etwas wie der letzte Vertreter der romantischen Schule, und – wie Kant als Aufklärer die Aufklärung beendet und etwas Neues (nämlich den Deutschen Idealismus) in die Wege geleitet hat – so hat auch der Romantiker Heine die Romantik beendet und zur Periode des Jungen Deutschland bzw. des Vormärz übergeleitet. Diese Jungen Wilden waren in ihrer Heimat gar nicht gern gesehen; die der Restauration verpflichteten deutschen Herrscher suchten sie zum Schweigen zu bringen, wo und wann immer sie konnten. Dies erklärt auch den unpolitischen Charakter des dritten Bands des Salon. Heine versuchte, der Zensur auszuweichen.

Der Autor gibt in diesem Text einen essayistischen Überblick über den Geister- und Gespensterglauben der deutschen (und allgemein: nordischen) Mythologie. Er stützt sich dabei vor allem auf die Arbeiten der Brüder Grimm, Musäus’ und Bechsteins zu den deutschen und altnordischen Sagen und Märchen. In der ersten Hälfte schildert er – immer wieder in (zum Teil wörtlichen) Auszügen aus den oben erwähnten (und aus anderen, heute weniger bekannten) Autoren – verschiedene Erd-, Luft- und Wassergeister, über die der Volksmund bis zu seiner Zeit berichtete, ja, an deren Existenz das Volk oft genug trotz des christlichen Firnis wohl auch noch glaubte. Ganz zufällig (!) erzählt er meist Geschichten nach, die den letzten Romantikern zu Vorwürfen eigener Novellen geworden waren. Ein längerer Text wird auch aus Des Knaben Wunderhorn eingefügt – Heine ist in seinem Essay gerade so Sammler wie Erklärer.

Gelesen habe ich die Elementargeister aber vor allem der zweiten Hälfte wegen, in der sich Heine ausschließlich dem Teufel als dem obersten aller (bösen) Geister widmet. Neben dem Teufel in der Volkssage (der sich z.B. – ein besonders witziger Text, den Heine sichtlich mit Gusto nacherzählt – im Salat einer Nonne annähert, die sowieso schon allzu viele fleischliche Gedanken nährte) interessiert ihn der Intellektuelle, als der der Teufel seit der Aufklärung oft dargestellt wird: der Vertreter der Vernunft gegen den Glauben, der Logiker und Dialektiker, dem auf diesem Gebiet nicht beizukommen ist. Da zitiert Heine aus Auseinandersetzungen Luthers mit dem Teufel, wie sie überliefert wurden. Und vom Puppenspiel des Doktor Faustus ist es ein kurzer Weg zum Faust Goethes und zu den romantischen „Fäusten“ (er nennt exemplarisch ein Drama von Klingemann), aber auch zu den bereits ‘gebrochenen’ Teufeln bei Grabbe.

Heine fördert in diesem Teil des Salon für heutige Verhältnisse weder philologisch noch religionsgeschichtlich Neues zu Tage. Das lag aber auch gar nicht in seiner Absicht. Er wollte den rationalistischer eingestellten Franzosen ja nur aufzeigen, weshalb und woher die seltsame Strömung der Romantik in Deutschland und den übrigen von den germanischen Überlieferungen beeinflussten Gegenden gekommen war. Alles in allem also eine solide Zusammenfassung der ‘Situation’ des Teufels im deutschen Sprachraum gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts.

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