Jean Bodin kennt man heute – wenn überhaupt – noch als den Staatstheoretiker des Absolutismus. Ein Gleichgewicht der Stände, so dass keiner ohne die andern konnte, und darüber der König als der legibus absolutus, der von den Gesetzen Losgelöste, der die Rolle eines Schiedsrichter übernehmen sollte, falls sich die Stände dann doch nicht einigen konnten. Dazu gehörte selbstverständlich eine Neutralität des Königs. Die Realisierung von Bodins Idee sollte rasch zeigen, dass Könige in der Realität schwach oder eigennützig oder beides sind – jedenfalls alles andere als neutrale Schiedsrichter unter den Ständen.
Doch der Staatstheoretiker stellt nur eine Seite von Jean Bodin vor, wie er sich damals dem Publikum präsentierte. Die andere haben wir in diesem, im Original runde 600 Seiten dicken Buch vor uns: Jean Bodin, den Inquisitor. In den 600 Seiten der Démonomanie versucht Bodin, sämtliche möglichen Gründe darzustellen, warum jemand zum Hexer oder zur Hexe wird, was diese Leute genau können (und allenfalls eben nicht können), was der Teufel von ihnen will und was der Teufel mit ihnen macht. Bodins Handbuch gibt auch klar an, unter welchen Umständen einer Anklage wegen Zauberei nachgegangen werden solle, bzw., wessen Zeugnis – außer natürlich dem Geständnis des / der Angeklagten – zu akzeptieren sei. Und wie an das Geständnis zu kommen ist, wird auch genauestens erklärt. Was die Zeugnisse betrifft – Tatsache ist: Gemäß Bodin ist jeder Mann (aber nur Männer!) mit gutem Leumund in der Lage, einen Nachbarn als Hexer zu diffamieren, und die Behörden müssen dem nicht nur nachgehen, sie müssen auch davon ausgehen, dass dieser Mann Recht hat mit seiner Anklage. Ähnlich, wenn ganze Dorfgemeinschaften einen einzelnen anklagen und selbst einer Horde Kinder wird zugehört. Es ist aus heutiger Sicht erschreckend, wie Bodin systematisch den der Hexerei Angeklagten jede Möglichkeit der Verteidigung gegen die Anklage nimmt. Neckische Notiz am Rande: Selbstverständlich sind die Angehörigen der Untersuchungsbehörden immun dagegen, vom Teufel verführt zu werden. (Es ist allerdings nicht ganz klar, ob nur in Ausübung ihrer Tätigkeit als Untersuchende oder generell.)
Wenn wir aber einmal den schrecklichen Inhalt bei Seite lassen, fällt auf, wie bürokratisch Bodins Zauberwesen eingerichtet ist. Es gibt für jede Form von Hexerei eine Schublade, in die sie passt. Der Untersuchungsrichter hat nur noch zu forschen, welcher der von Bodin vorgegebenen Punkte zutrifft, um die Person verurteilen zu können. Diese Bürokratie aber hängt wiederum mit Bodins Weltbild zusammen. Sein neuplatonisch geformter Kosmos sieht einen herrschenden Gott vor, der die Welt einmal kreiert hat, sich aber seither nicht mehr in Person darum kümmert – höchstens in Ausnahmefällen. Um die Welt kümmern sich die bösen und die guten Geister, die von Gott die Aufgabe erhalten haben, den Menschen möglichst zu piesacken und um sein Seelenheil zu bringen bzw. ihn eben davor zu retten. Und wenn man Bodins Werk so liest, hat man das Gefühl, dass sie – wie guten Beamte – ihre Pflicht erfüllen. Aber Spaß haben sie keinen dabei. Selbst wenn der Teufel – ob nun in männlicher oder weiblicher Form – mit seinen Hexern und Hexen schläft, scheint das weder dem Teufel noch den Hexern und Hexen wirklich Freude zu bereiten. Aber es ist halt Teil der zu erfüllenden Arbeit, also erledigt man sie.
Erst zum Schluss der Abhandlung, als Bodin das Werk eines anderen Magistraten bespricht, der zwar auch an Hexen- und Zauberwesen glaubt, aber zugleich der Meinung ist, dass in vielen Fällen die Geständnisse und Eigenaussagen dieser Hexer und Hexen eher auf geistige Probleme der Person zurückzuführen sind und nicht der Realität entsprechen – erst da kommt Feuer in Bodins Abhandlung. Er verurteilt diese Ansicht auf das Heftigste und geht gar so weit, diesem anderen Magistraten vorzuwerfen, dass er wohl selber ein Hexer ist, der sich der Verfolgung entziehen wolle. Die klassische Autoimmunisierung der eigenen Position.
Und wer jetzt findet, dass sich in dieser Hexenwelt Bodins viel vom absolutistischen Staat wiederfindet – sicher. Die beiden Seiten Bodins haben durchaus ein gemeinsames Scharnier.
Für uns Heutige einfach nur erschreckend in seiner kaltblütig-bürokratischen Mordsucht. Aber die Ereignisse des Dritten Reichs haben gezeigt, dass so etwas jederzeit wieder möglich ist.
Bodins Buch stammt von 1580; ich habe einen Reprint der 4. Ausgabe von 1598 gelesen (das Buch war also ein ziemlicher Erfolg!). Die einzige mir bekannte deutsche Übersetzung stammt von Johann Fischer aus dem Jahre 1581 / 1591. Ich habe ihren Titel oben dem französischen Originaltitel hinzugefügt, vermute aber, dass Johann Fischer viel mehr an einem Erfolg des Buchs als Reißer interessiert war, als an der bürokratischen Auflistung der inquisitorischen Aufgaben für angehende Inquisitoren. Denn ein ausgelassenes, wütiges Teufelsheer finden wir bei Bodin nirgends.