Johann Jakob Spreng: Allgemeines deutsches Glossarium. Ein historisch-etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Band 3. E – G

Warum ich ein Glossarium, also ein Wörterbuch, bandweise von vorn nach hinten lese, habe ich in meinen Ausführungen zum ersten Band von Sprengs Glossarium bereits geschrieben. (Eigentlich „lese“ ich ja nicht. Ich blättere, lasse meine Augen über durch die Spalten schweifen, und wenn mir ein Wort als interessant auffällt, lese ich den Eintrag. Und natürlich lese ich viel mehr, als ich hier rapportiere.) In meinen Ausführungen zum ersten Band steht auch alles Nötige zur Entstehungs- und Publikationsgeschichte dieses Werks. Das werde ich also nicht mehr wiederholen.

Dass übrigens eine solche Lektüre auch sehr lehrreich sein kann, habe ich gemerkt beim Durchgehen aller Begriffe, die mit eh- anfangen Die drehen sich in vielen Fällen um die Ehe und sind sehr interessant für jede/n, der oder die sich über die Sitten, Bräuche und Rechtsprechung jener Zeit in Sachen Ehe und Beziehung informieren wollen.

Nun aber ein paar Leckerbissen aus dem dritten Band. Ich habe versucht, ein wenig zu sortieren.

Da ist zunächst der Sprachpurist Spreng, der sich nicht scheut, Kollegen an den Karren zu fahren:

ehender, wider alle Sprachregeln für eher; citius, potius. Man musß sich verwundern, daß Männer in der Schweiz, die sich mit ihrer Sprachkunst vor Andern breit machen, dises Wort noch gebrachen.

*Ergänzungswerbung, schreiben unsere Alten rein und deutsch für Recrutenwerbung, wie es die Zeitungsschmierer haben.

Aus heutiger Sicht seltsame Begriffe für Phänomene, die wir mittlerweile ganz anders bezeichnen:

*Einschattige, Einwohner eines oder des andern gemässigten Erdgürtels; hetroscii

Verdeutschte Fachbegriffe (hier aus Theologie, Fischzucht und Landwirtschaft):

Einwesler, Christen, die da glauben, daß Gott der Vater und der Sohn Eines Wesens seÿn; homousiani, im Gegensatze der Arrianer. (Turnm. Bl. 239)

*Erstreckteichlein, kleiner Teich, darinnen man die Samfische so lange stehen läsßt, bis sie genugsam gewachsen seÿn, da man sie zu dem Gewüchse in grössere Teiche aussetzen kann. (Kohl. Hausb. B. XVI. Kap. 87.)

*Grundbirnen,patates, ein sehr bekanntes, und für Mensch und Vieh nahrhaftes Gewächse, welches aus Amerika in Europa gekommen. Ein Keim darvon, oder eine kleine Grundbirne, die man in dem Frühjahre stecket, bringet in dem Spätjahre eine ziemliche Anzahl grosser und kleiner Knollen an den Wurzeln. Es gibt deren unterschiedliche zum Hausgebrauche, zackichte und runde, frühe und späte, speckhafte und mählichte. Die röthlichen {und} speckhaften von der runden Art taugen am Besten zu menschlicher Speise. Hingegen die frühen, welche schon auf Jakobs Tag ausgegraben werden, wenn sonst alles Futter ausgehet, werden ihres starken Geschmackes wegen nur für das Vieh verfüter. Man musß sie nicht wie Einige tun, mit den Erdäpfeln (Taupinamboux) vermängen.

Poetische Übersetzungen:

*entkriechen, reptando evadere Was taht der Held der einst mit Haut und Knochen Sechs Pilger frasß, der Fürst Gargantua? Er war kaum halb der Mutter Ohr entkrochen, so rief er schon: Jst nichts zu trinken da? (Hagedorn [allerdings ein früherer als der bekannte Idylliker])

Wer bisher glaubte, mit „niet- und nagelfest“ schon eine weitläufige Formulierung zu verwenden, darf in Zukunft dieses benutzen:

*erd- niet- wand- band- und nagelfest, begreifet in Schließung eines Kaufes Alles, was eingegraben, eingemauert, genagelt, angeschraubt und fest gemacht ist. (Herm. Lex. Jur.) s. gewidet.

Seltsamkeiten, die wohl der Tatsache zu verdanken sind, dass Spreng auch Angelsächsische Wörter aufnimmt:

*Erdquarkung. Erdbeben. Engl. Earthquake.

Dass folgendes Wort aus dem Bairischen stammt, war mir auch nicht bewusst:

fackeln, (Baÿer.) zaudern; cunctari, moras trahere.

Dieses Wort hingegen hielt ich für Österreichisch:

Fäscholen, (Bündtner.) welsche Bohnen, Faseln; phaseli.

Auch ausserhalb von Informationen zur Ehe sind immer wieder kulturgeschichtlich interessante Fetzen zu finden:

Fensterscheiben, (grosse, runde,) kamen in den vornemsten Städten der Schweiz nicht lange nach dem eingetretenen 16. Jahrhundert auf; und soll Franz Kolb, Stadtpfarrer zu Bern, gar ernstlich darwider geprediget haben. (Lebensbeschr. Desselben Blts. 164.)

Dann sind da jene Wörter, die zu Sprengs Zeiten ein gar nicht so positive Bedeutung haben, wie wir sie ihnen heute zuschreiben (und vielleicht sollte man die heutige Verwendung dieser Wörter noch einmal über denken …):

Finanz, (die,) Arglist, Betrug. böse Finantz, da man einen mit wüssen betrügt vnd vberfüert. (Mahl.) Finanzer, der allenthalben Geld aufnimmt, um niemals zu bezahlen; aeruscator. (Emmeli.)

Frauenhaus, Hurenhaus. Was K. Sigmund vnd die sinen verzarten, wart von der Statt Bern bezahlt. – Sÿ hattent dabÿ geordnet in dem frouwen hus, das aller meniglich wol entpfangen wurd, vnd niemen nütz bezalte, weder lützel noch vil. Die selbe ere ruompte der Künig darnach gar hoch.(Etterlin.)

In ein ähnliches Kapitel gehören Wörter, die man definitiv wieder einführen sollte, so z.B.:

auf den Freudaffen setzen, Jemand mit vergeblicher Hoffnung speisen; lactare aliquem vana spe. (Dasüypod.)

Futbürger, jus civitatis per matrimonium acquirentes. (Wehner aus dem strasß. Stadtr.) [Na gut, dieses Wort vielleicht weniger, wenn selbst Spreng sich nur traut eine lateinische Erklärung dazu zu setzen …]

Gästling, Gast. (Leo Jud)

Und dann ist da noch dies:

*Gottes Eichel, glans jovis, castanea. (Wäre in einem Gedichte zu gebrauchen.)

Und nun weiß ich auch nicht.


Heinrich Löffler (Hg.): Johann Jakob Spreng: Allgemeines deutsches Glossarium. Ein historisch-etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Band 3. E – G. In Zusammenarbeit mit Suzanne de Roche, unter Mitarbeit von Willy Elmer, Mathilde Gyger, Christof Meissburger und Michael Saave (Transkription), sowie Gabriel Schaffter (Recherche, Koordination). In Verbindung mit der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Basel unter der Leitung von Ueli Dill. Basel: Schwabe, 2022.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert