Arthur C. Clarke: 2001: A Space Odyssey

Arthur C. Clarke galt, zusammen mit Robert A. Heinlein und Isaac Asimov, als einer der Big Three of Hard-SF – will sagen, einer der großen Drei der ‚harten‘ Science Fiction. Unter Hard-SF wiederum versteht man jene Texte, die auf eine Darstellung technischer oder wissenschaftlicher Entwicklungen fokussieren und weniger auf das Menschliche oder Psychologische, wie es z. B. bei Texten von Wyndham der Fall war, von Ballard oder von Dick. Allerdings ist zu sagen, dass auch bei diesen drei Autoren der Ruhm der Ruhm der Hard-SF zu relativieren ist. Für Heinlein stimmt diese Definition seines Schreibens eigentlich nur für seine frühen Texte aus den 1950ern und 1960ern, die im Rahmen seiner Future History angesiedelt waren. Ungefähr ab Stranger in a Strange Land führte auch er solche Dinge wie Telepathie, Telekinese oder Teleportation in seine Romane ein. Ähnliches gilt für Asimov: Auch er konzentrierte sich vor allem in den frühen Geschichten aufs rein Technische – in den Roboter-Erzählungen, und in den Geschichten um den Roboter-Detektiv Daneel Olivaw. Schon im zweiten Band der Foundation-Trilogie tauchte hingegen aus dem Nichts ein begabter Telepath auf. Clarke aber sündigte vielleicht am meisten und am frühsten gegen das Prinzip einer Darstellung rein wissenschaftlich-technischer Phänomene. Ich rede jetzt hier nicht einmal davon, dass die Ereignisse, wie er sie in 2001: A Space Odyssey schildert, zwar ungeheuer genau beschrieben sind, aber – wie man schon damals hätte wissen können – um mindestens 100 Jahre zu früh datiert. Vielleicht wird die Menschheit im Jahr 2100 wirklich in Person zum Jupiter fliegen können. Dass es wissenschaftlich-technische „Rückschritte“ gibt, wie eine praktisch vollständige Einstellung der Erforschung fremder Planeten und Monde durch lebende Menschen, konnte sich allerdings 1968 wohl niemand vorstellen – zu groß war die Euphorie allerorten. Das meine ist also nicht, aber schon Clarkes Erstling, Childhood’s End führte eine (genauer gesagt sogar zwei) Spezies von Außerirdischen ein, die der Menschheit in ihrer Weiterentwicklung zu Hilfe kam. Dies wird auch in 2001: A Space Odyssey mit anderen Vorzeichen wiederholt.

Der Roman wurde hier schon einmal von scheichsbeutel vorgestellt, um nicht zu sagen: verrissen. Ich kann weder seiner Zusammenfassung des Romans noch seinem Verriss viel hinzufügen. Clarke war tatsächlich ein Autor, der nie so recht wusste, wann oder wie ein Roman zu beenden sei. Ich für meinen Teil habe hier seinen später geschriebenen Roman Rama durchaus empfohlen, auch weil er gerade auf ein so seltsames Ende wie in diesem Roman hier verzichtete. Allerdings konnte der Autor sich schlussendlich weder hier noch dort zurückhalten und schrieb noch jede Menge Fortsetzungen – die die kluge Geschichte um Rama komplett zerstörten und die bei 2001: A Space Odyssey auch nicht mehr verbessern konnten, was er mit dem seltsamen Ende kaputt gemacht hat.

Man muss sich vorstellen: Vor drei Millionen Jahren hat eine außerirdische Intelligenz ein ungeheuer kompliziertes System errichtet, damit ihr mitgeteilt wird, ob (falls!) die paar Australopitheci, deren Hirn sie stimuliert hatten, tatsächlich zu einer raumfahrenden Nation geworden sind. In den drei Millionen Jahren haben sich diese Außerirdischen offenbar aber selber von physisch agierenden Lebewesen zu reinen Geistwesen entwickelt. Dennoch behalten sie die komplizierten Trigger bei, die sie gelegt haben. Das Resultat ist, dass ein einziger(!) Mensch die Reise zu ihnen überlebt – eine, wie mir scheinen will, magere Ausbeute einer so kompliziert gelegten Falle. Diesen Menschen wandeln sie nun, ohne ihn weiter zu prüfen oder sich ihm vorzustellen, in ein Sternenkind um, ein ebenfalls nur noch rein geistiges Wesen. Kaum ist die Umwandlung beendet (und das Sternenkind hat noch keine Ahnung, was es in seiner neuen Lebensform alles tun oder lassen soll), kehrt der Ex-Austronaut, nunmehriges Sternenkind David Bowman zur Erde zurück. Dort ist offenbar ein auf einer Erdumlaufbahn stationierter, mit Atomsprengköpfen versehener Satellit aus seiner Bahn geraten und droht auf die Erde zu stürzen. Das Sternenkind bringt die Sprengköpfe zur Explosion, aber es wird nicht ganz klar, ob die Erde dadurch nun gerettet wird, oder ob das für dieses neugeborene Kind einfach ein lustiges Spiel war – Erde kaputt machen.

Clarke, habe ich schon gesagt, weiß nicht, wann er eine Geschichte beenden soll. Im vorliegenden Fall wäre der Moment sicher der gewesen, wo der Bordcomputer HAL auf Grund einer Neurose den Aufstand gegen die mitfahrenden Astronauten wagt. Die darin verborgenen kybernetischen Fragen hätten eine ausführlichere Behandlung verdient gehabt. So haben wir tatsächlich das Phänomen, dass der Höhepunkt des Romans vorbei ist, die Geschichte aber noch weitere 60 Seiten vor sich hinplätschert. Wie scheichsbeutel hätte ich gewünscht, dass der „Kampf“ mit HAL ausführlicher dargestellt worden wäre, dafür das seltsame Ende gleich ganz weggelassen.

Schade um die guten Ideen. Ich ziehe hier eindeutig den Film von Stanley Kubrick vor, der mit seinen Spezialeffekten und mit seiner genial ausgewählten musikalischen Untermalung vieles vor dem Roman voraus hat. Um alles noch schlimmer zu machen, hat Clarke im Roman auch seiner quasi-pädagogischen Ader freien Lauf gelassen und erklärt uns alles. Drei oder vier Mal, wenn es sein muss. Noch einmal: Schade um die guten Ideen.

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