Ingeborg Bachmann: Der Prinz von Homburg

Dunkelblaue Schrift auf hellblauem Hintergrund, auf drei Zeilen: Ingeborg // Bachmann // Werke. Nur die mittlere Zeile ist ganz sichtbar, die obere und die untere sind jeweils angeschnitten. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Am 22. Mai 1960 wurde die Oper Der Prinz von Homburg an der Hamburgischen Staatsoper uraufgeführt. Die Musik hatte Hans Werner Henze komponiert. Das Libretto stammte von Ingeborg Bachmann, verfasst nach Heinrich von Kleists Stück Prinz Friedrich von Homburg oder die Schlacht bei Fehrbellin. Was die beiden dazu gebracht hat, ausgerechnet dieses nicht sehr zugängliche Stück Kleists als Vorwurf zu nehmen, lässt sich leider auch dem Programmtext zur Uraufführung nicht so ganz entnehmen (Entstehung eines Librettos, ebenfalls von Ingeborg Bachmann geschrieben). Darin behandelt Bachmann vor allem von die Probleme der notwendigen Kürzungen und Änderungen an Kleists Vorlage. Nur ganz zu Beginn versucht sie eine Art Rechtfertigung und nimmt zunächst Bezug auf Bertolt Brechts Gedicht Über Kleists Stück ›Der Prinz von Homburg‹, in der Brecht den preußisch-germanischen Helden in seiner Todesangst fixiert – mehr, um den preußisch-germanischen Geist an den Pranger zu stellen als die Gestalt des Prinzen. Und auch Heinrich Heine wird zitiert, der, nachdem das Stück 1822 in Berlin wieder vom Spielplan genommen wurde, festhielt: Was mich betrifft, so stimme ich dafür, dass es [Kleists Stück] gleichsam vom Genius der Poesie selbst geschrieben worden ist … Doch der vormärzliche Heine schreibt im Kontext der preußischen Reaktion und sieht das Stück als revolutionär an, weil hier ein preußischer Held in seiner Todesangst beschrieben wird.

Bachmann versucht, die Wahl dieses Stücks damit zu rechtfertigen, dass sie darin eine Darstellung erblickt, wie der Prinz von Homburg die absurde Lage durchschaut, in die der Kurfürst geraten ist, und, diese absurde Lage selber einnehmend, ihn darin bestätigt – somit im Grunde genommen die ganze Welt, das Weltgeschehen, als absurd denunzierend. Jede Zeit hat so ihre Interpretation von Kleists Stück geliefert, jede Zeit wohl auch mehr oder weniger an Kleists ureigener Intention vorbei interpretiert. Was per se nicht gut und nicht schlecht ist, aber seine Stücke nicht weniger seltsam und rätselhaft wirken lässt. Kleists Aktualität konnte mir Bachmann jedenfalls nicht bestätigen, jedenfalls nicht für den Prinzen von Homburg.

Wenn ich Partituren lesen könnte, würde ich mir wohl die des Prinzen von Homburg besorgen. Denn hier wäre ich sehr darauf gespannt, wie die Musik die Absicht der Librettistin unterstützt, bzw., wie die Librettistin die Absicht der Musik aufgefasst hat. Jedenfalls ist dieses Libretto so, nackt und bloß, nicht zu fassen.

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