E. T. A. Hoffmann: Das steinerne Herz

Wahrscheinlich handelt es sich bei diesem Cover um eine Fotografie eines Halblederbandes. Links finden wir in braun, mit der für Leder typischen Narben-Struktur, einen Streifen. Der Rest ist auf rotem Hintergrund, der einen Leineneinband darstellen soll. Links ist in Pseudo-Goldprägung noch etwas jugendstilartiges Blattwerk zu finden; ein bisschen rechts von der Mitte, zwischen zwei goldenen Rahmen, der ebenfalls goldene Schriftzug "E • T • A HOFFMANN". Was erlesen wirkt, ist in Wirklichkeit einfacher Farbdruck auf Glanzpapier. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Für einmal stellen wir keine Novelle aus den Serapionsbrüdern vor. Diese Erzählung hier stammt aus den bereits früher entstandenen Nachtstücken, und es handelt sich um deren letzte. Die Geschichte ist für die paar Seiten, die sie umfasst, recht verwickelt. Sie beginnt damit, dass uns ein anonymer Erzähler auffordert, er (Hoffmann spricht im Stil seiner Zeit nur den Leser an – obwohl er ein recht großes weibliches Publikum gehabt haben dürfte) – der Leser also solle doch, wenn er in der Gegend sei, nicht verfehlen, Haus und Garten des Landsitzes des verstorbenen Hofrats Reutlinger zu besuchen. Den Leser immer wieder ansprechend, wird der Erzähler gleich dessen Fremdenführer machen und uns das Haus vorzustellen (auf altertümliche groteske Weise mit mit bunten gemalten Zieraten verschmückt), dessen Innenwände (mit grellen Farben gemalte Arabesken, die in den wunderlichsten Verschlingungen Menschen- und Tiergestalten, Blumen, Früchte, Gesteine darstellen) und dann den Garten (im altfranzösischen Stil, den aber der Erzähler – und er fordert den Leser auf, dasselbe zu tun – als Gartenkunstwerk der albernen Kleinigkeitskrämerei vorzieht, die in unseren sogenannten englischen Gärten mit Brückchen und Flüßlein und Tempelchen und Gröttchen getrieben wird), bevor er dann auf die Hauptsache zu reden kommt, ein kleines, finsteres Wäldchen, das die Form eines Herzens hat. Mitten drin steht ein Pavillon von dunklem schlesischem Marmor in der Form eines Herzens erbaut. In dessen Mitte wiederum, im mit weißen Marmorplatten ausgelegten Boden, sieht man einen dunkelroten Stein eingefügt, in den die Worte Es ruht! eingraviert sind.

Mit dieser Einführung befinden wir uns schon am zeitlichen Ende der Erzählung. Nun erst, als wir deren Schluss kennen, rollt E. T. A. Hoffmann die Geschichte vom anderen Ende, vom Anfang her auf. Der auktoriale Erzähler hört auf, den Leser anzusprechen und erzählt die Geschichte des Hofrats Reutlinger. Von seinem Bruder enttäuscht, hat er doch nach dessen Tod den 6-jährigen Neffen zu sich genommen. Aber auch mit dem will er nichts mehr zu tun haben, als er das unschuldige Kind zufällig dabei findet, wie er mit dem roten herzförmigen Stein spielt – denn der Hofrat setzt diesen Stein tatsächlich seinem Herzen gleich. Im Übrigen führt er zu Beginn des 19. Jahrhunderts regelmäßig Gesellschaften durch, bei denen alle im Stil der 1760er gekleidet sein müssen – jener Zeit, in der der Hofrat noch jung und glücklich war.

Bei einer solchen Gesellschaft kommt es zu einer für den Hofrat beinahe tödlich verlaufenden Begegnung mit seinem 30-jährigen Ich. Nach einigen Verwicklungen aber entpuppt sich dieser jüngere Doppelgänger als jener Neffe von damals. Noch einmal wird der junge Mann beinahe hinausgeworfen, aber es stellt sich gerade noch rechtzeitig heraus, dass er die Tochter jener Frau liebt (und sie ihn), um die der Hofrat seinerzeit selber gefreit, die ihn aber zurückwies, da sie seinen problematischen Charakter erkannt hatte. Somit kommt es doch noch zu einem überraschenden Happy Ending.

Es ist kein Zufall, dass ich so viel aus den ersten zwei Seiten zitiert habe, denn es sind die besten dieser Erzählung. In ihnen sieht man, wie sich der seltsame Geist ihres Besitzers in dessen Besitztümern spiegelt. Der Rest ist mit Aspekten der Verwechslungskomödie durchsetzt und mit Motiven des Schauerromans, die aber allesamt rational aufgelöst und zu einem glücklichen Ende geführt werden.

Zum Glück recht kurz und so eine nette Lektüre für einen lauen Sommerabend.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert