Karl Leberecht Immermann: Tulifäntchen / Andreas Hofer / Memorabilien

Epigonal – das heisst Nach- und Ausschreiber seiner Vortreter – bleibt Karl Leberecht Immermann auch im fünften und letzten Band der von Harry Maync betreuten Ausgabe seiner Werke.

Tulifäntchen

So heisst der Titelheld einer in Versen gehaltenen romantischen Komödie, die ganz eindeutig in der Nachfolge ähnlicher Werke von Ludwig Tieck gehalten ist. Der Stoff ist märchenhaft gehalten – eine Variation der Däumlings-Geschichte. Tulifäntchen ist der letzte seiner Familie – und er ist winzig klein. Sein Mut aber ist gross, und so scheut er nicht, auf Queste auszugehen, Abenteuer zu suchen und Jungfrauen zu befreien. Die ironisch-satirische Spitze gegen jenen andern Epigonen, Fouqué und seine Ritter-Historien, ist unübersehbar.

Ton und Inhalt dieser kleinen Komödie sind aber einigermassen gut durchgehalten, auch wenn sie in Versen geschrieben ist, was Immermann eigentlich nicht liegt.

(Kleines Detail am Rande: Immermann beschreibt den Wohnort des Riesen, den Tulifäntchen bekämpft – und zum Schluss auch besiegt – als umgeben von einem mechanischen Schutzwall aus Eisen; und Immermann gibt dem Riesen zwei mechanische Diener bei, die mit Dampf betrieben werden. Gedacht als Spitze gegen die keimende technische Revolution, ist es aus heutiger Sicht, wenn ich das richtig sehe, die früheste Erscheinung des Steam Punk…)

Andreas Hofer

Der Tiroler Freiheitsheld ist für Immermann, was Wilhelm Tell für Schiller war: Vorwurf für das grosse Freiheitsdrama. Stil und Sprachduktus klingen denn auch derart unangenehm und unbeholfen imitierend nach dem grossen Schwaben, dass es kein Wunder ist, wurde das Stück nur selten aufgeführt. Immermann kann in diesem Stück auch seinen Hass gegen Napoléon und die französische Besetzung weiter Teile Europas unter diesem Kaiser ausleben. Leider fehlt jeder Spannungsbogen in der Handlung; und die Protagonisten deklamieren nur hehre Gefühle und Absichten.

Neben Schiller sind auch Heinrich von Kleist (Die Hermannschlacht) als Vorbilder zu nennen (jedenfalls, was die patriotische Hochgestimmtheit betrifft, als Dramatiker überragt Kleist unsern Immermann weit), und jener andere Patriot, der sich dann vom dänischen Hof aushalten liess (aushalten lassen musste, weil kein deutscher in die Bresche sprang), Klopstock, mit seiner Trilogie von „Bardieten“ Hermanns Schlacht, Hermann und die Fürsten, Hermanns Tod.

Memorabilien

Der Herausgeber Maync in seinem Nachwort will Immermann in den Memorabilien ein weiteres Mal als Epigonen sehen, diesmal in der Nachfolge von Goethe und seiner Autobiografie Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. Das kann ich nun nicht nachvollziehen, ausser der Tatsache natürlich, dass ein Autor überhaupt auf die Idee kommt, sein Leben für wichtig genug zu halten, dass er es in einer selbst bestimmten Form – eben als Autobiografie – dem Publikum vorstellt, und ausser der Tatsache, dass so eine Autobiografie eben meist mit Kindheit und Jugend des sich also Autobiografierenden anhebt.

Nun ist in meiner Ausgabe nur der erste (und einzige von Immermann komplett selbst verfasste) Band der Memorabilien vorhanden. Dort, wo’s interessant werden könnte, wo Immermann zum Beispiel als Theaterintendant amtet, langen wir nie an. So bleibt Immermanns Kindheit und Jugend, gezeichnet durch die Invasion napoleonischer Truppen, und das Bild, das Immermann von Napoléon und den Franzosen davon trägt als barbarischer, ungerechter Unterdrücker – ein Bild, wie wir es gerade in Andreas Hofer gesehen haben, wie wir es ja auch beim 20 Jahre jüngeren Freytag noch gefunden haben, und wie es mehr als ein Jahrhundert lang die französisch-deutschen Beziehungen belastet hat.

Wirklich gelungen und interessant ist in dieser Autobiografie nur Immermanns Schilderung eines skurrilen Onkels und dessen Lebenstils. Exzentriker vermag Immermann liebevoll-detailliert und zugleich ironisch-distanziert zu schildern. Meist mischt sich ein Schuss Satire drein – entweder auf die Position, die diese Exzentriker vertreten, oder dann auf die Gegenposition. Wir haben das bei den beiden Pädagogen in den Epigonen schon festgestellt, beim titelgebenden Helden seines Romans Münchhausen. Eine Geschichte in Arabesken und dessen Entourage, und in diesem Band beim Tulifäntchen. Selbst unter Immermanns Gedichten sind seine satirischen Xenien die besten.

Fazit über alle fünf Bände: Immermann hätte sich an die Exzentriker seiner Geschichten halten sollen und nicht versuchen, ‚ernsthaft‘ zu werden. Auch die satirisch-ironischen Teile seines Werks sind in vielem epigonal, aber bedeutend weniger, als jene andern, leider überwiegenden Teile, in denen Immermann ’seriös‘ sein zu müssen glaubt.

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