Zugegeben: Ich habe ein nicht unbeträchtliches Risiko auf mich genommen, als ich die Werke Anton Kuhs bestellt habe. Ich kannte von Kuh bisher nichts, wusste einzig von ihm, dass er sich bei Gelegenheit einmal mit Karl Kraus angelegt hatte. Der wiederum ist einer der grossen Fixsterne meines literarischen Himmels: In jedem Forum, in dem ich noch aktiv bin, habe ich einen Ausspruch von Karl Kraus als Motto in der Fusszeile unter meinen Beiträgen drapiert. Wenn dann noch BigBen in seinem Blog nach der Lektüre einer Auswahlausgabe beschliesst, dass es sich nicht lohnt, Kuh zu lesen, ja sich auch nur seinen Namen zu merken… 😉
Andererseits hat Helmut Qualtinger aus Kraus wie aus Kuh gelesen… Das gab letztlich den Ausschlag, und hier bin ich nun mit Band I.
So. Wie ist’s denn nun? Hm…
Die 2016 im Wallstein-Verlag von Walter Schübler herausgegebene Werk-Ausgabe führt Kuhs Essays in chronologischer Reihenfolge des Erscheinens auf. Band I führt uns also in die Anfangszeit Kuhs zurück, wo er vor allem als Theaterkritiker für verschiedene Zeitungen (vorwiegend noch das heimatliche Prager Tagblatt) tätig war. In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg fällt ein leichter Hang Kuhs zum Deutschnationalen auf. Er zitiert häufig aus Gedichten Detlev von Liliencrons, der aber als literarischer Leitstern bald verschwindet – im Gegensatz zum immer wieder erscheinenden Wedekind. Den lobt er schon, bevor er ihm zum 50. Geburtstag gratuliert (1914), schreibt auch einen Nachruf (1918) und berichtet von einer Gedenkveranstaltung, an der auch ein gewisser Salten aus eigenen Essays vorgelesen habe (ebenfalls 1918). Da er recht viel übers Wiener Theater schreibt, sind auch Berichte zu Aufführungen Grillparzers (er mag ihn nicht) oder Raimunds und Nestroys (mag er beide recht gut) vertreten.
Alles in allem scheint er aber zu Beginn des 20. Jahrhunderts mehr oder weniger das Leben eines Bohémiens zu führen. Seine grössten Sorgen im Ersten Weltkrieg sind nicht die Toten auf den Schlachtfeldern, kaum die antisemitischen Tendenzen, die sich in Österreich bemerkbar machen, sondern – der rationierte Kaffee in den Kaffeehäusern und die Preistreiberei bei den Taxis und Fiakern in Wien.
Kuhs Ton im ersten Jahrzehnt seines Wirkens ist noch suchend. Oft hat der Leser das Gefühl, dass da ein Gymnasiast schreibt, der versucht, auf Teibel komm raus witzig zu sein. Er vergleicht Prag mit Wien und Wien mit Berlin – und gibt dabei offen zu, Berlin gar nicht zu kennen. Und wirklich neue Erkenntnis über eine der drei Städte gewinnt man auch nicht dabei. Gewiss, manchmal zeigt sich die Klaue des Löwen, und ganz uninteressant ist nichts, wenn man sich für die Zeit des zerfallenden Kakanien interessiert und sich vielleicht gar ein wenig darin auskennt. Aber auch Kraus hat nicht nur Meister-Aphorismen verfasst. Jedenfalls bin ich auf die Nachkriegsjahre, die in Band II folgen werden, schon recht gespannt.
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