Gustave Flaubert: Universalenzyklopädie der menschlichen Dummheit. Transkribierte Handschriften und Kommentare

Wenn ich das richtig verstehe, stellt der dritte Band des Werkkomplexes rund um Flauberts Bouvard und Pécuchet so etwas wie eine Zusammenstellung der Vorarbeiten zum Inhalt des zweiten Bandes, des Sottisier dar. Vorarbeiten, die allerdings um ein Vielfaches weniger Platz einnehmen, als das Sottisier, was bedeuten müsste, dass Flaubert in seinen Arbeiten für Band 2 doch schon recht fortgeschritten war.

Auch der dritte Band enhält also (zum Teil kommentierte) Exzerpte aus andern Werken. Diese Exzerpte sind ebenfalls thematisch geordnet, wobei die Themen weder denen von Band 2 noch denen des Romans selber ganz genau entsprechen. Wenn ich das richtig verstehe, geht auch diese Anordnung nach Themen auf den ersten Herausgeber, Guy de Maupassant, zurück.

Unter den Exzerpten finden wir als erste die Rubrik Versuch über die Freiheit des Willens – Ausschnitte aus Schopenhauer. Schopenhauer war offenbar, neben dem über alles verehrten Spinoza, der einzige Philosoph, den Flaubert in den Jahren der Abfassung von Bouvard und Pécuchet las. Da fanden sich zwei Misanthropen…

Die folgende Rubrik ist einem Exzerpt aus Spinozas Tractatus theologico-politicus gewidmet und beinhaltet einige von dessen bibelkritischen Aussagen. Es folgen Exzerpte zum Thema Die „unendliche Kette“ der Wesen – Evolutionstheorie. Flaubert kannte Charles Darwin nur mittelbar, in der Darstellung durch Ernst Haeckel. In Terror und Spiritualität finden wir Flauberts Auseinandersetzung mit der Wissenschaft der französischen Gegenrevolution, allen voran dem heute unbekannten Joseph de Maistre, dessen ‚bêtes noires‘ offenbar Bacon war, beide Bacons, aber vor allem der englische Lord. Unter Gesetz und Stil treffen wir auf Montesquieu – einer, bei dem Flaubert offenbar nicht so recht wusste, was damit machen. Es gab Aussagen Montesquieus, denen Flaubert zustimmen konnte, andere, die ihm nicht gefielen. Kommune und Phalange hingegen behandelt etwas, dem Flaubert ganz und gar nicht zustimmte: die Ereignisse vom Frühling 1871, die rasch als ‚Pariser Kommune‘ in die Annalen eingehen sollten. Literarisch macht Flaubert die Kommune am Fourierismus fest. Die Naturgeschichte der Frau versammelt Exzerpte verschiedener Autoren, oft recht misogyne. Unter Elektrische Fische und Sensitive geht es seltsamer Weise darum, ob die menschliche Seele physisch-physikalisch gefunden werden kann.

Und so geht es weiter. Ein kleines Wörterbuch mit Fachbegriffen beim Pferderennen folgt ebenso, wie eine Auseinandersetzung mit weiblichen Autorinnen, darunter seiner (ehemaligen) Freundin George Sand.

Ein buntes Sammelsurium. Ein Blick in die Werkstatt eines Schriftstellers, der von seinem Thema – einer enzyklopädischen Sammlung universellen Wissens – besessen ist. (NB: Die bildende Kunst und die Musik fehlen nicht nur im eigentlichen Roman Bouvard und Pécuchet , sondern auch in den Bänden 2 und 3 des Werkkomplexes!)


Gustave Flaubert: Universalenzyklopädie der menschlichen Dummheit. Transkribierte Handschriften und Kommentare. (= Band 3 von: Bouvard und Pécuchet. Der Werkkomplex). Herausgegeben, aus dem Französischen übersetzt und annotiert von Hans-Horst Henschen. Göttingen: Wallstein, 2017. Leider sind die Angaben, was textlich wie und wo zusammenhängt, in dieser Ausgabe recht vage (oder dann gut versteckt), so dass einer wie ich, der sich mit Flaubert nicht so gut auskennt, etwas verloren dasteht, wenn es die Zusammenhänge der einzelnen Teile zu verstehen gilt. Dafür greift der Herausgeber immer wieder auf die Interpretationen / Biografien von Walter Benjamin und Jean-Paul Sartre zurück – was wenig hilft, wenn man die auch nicht kennt.

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