Das klingt spannend und wäre es auch, wenn Brensing nicht auf eine allzu breit gefächerte Leserschaft abzielen würde. Schon im ersten Kapitel, das dem Thema Sex gewidmet ist, hat man den Eindruck, dass hier ein Publikum bedient werden soll, dem weniger an biologischen Fakten gelegen ist denn an amüsanten und abenteuerlich anmutenden Anekdoten. Dem entspricht auch eine flapsige, wohl als humorig intendierte Schreibweise, die – vorsichtig ausgedrückt – gewöhnungsbedürftig ist. Und so brechen die Beschreibungen meist dort ab, wo die Neugier des Lesers erst geweckt wurde. Beispielsweise endet der Abschnitt über psychische Störungen bei Tieren mit den belanglosen Sätzen: „Aus meiner Sicht sollte aber noch viel mehr geschehen. [In Hinsicht auf die Behandlung von Tieren angesichts der offenkundigen Tatsache, dass sie so etwas wie Geist besitzen.] Wir sollten unseren Umgang mit Tieren neu überdenken und an die aktuellen Erkenntnisse anpassen. [Auf diese Erkenntnisse wartet man in diesem Abschnitt vergebens.] Fakt ist, dass unser derzeitiger Umgang […] mit Tieren nicht angemessen ist. […] Vielleicht gibt es aber ein Licht am Horizont.“ Anstatt nun aber eine Erklärung darüber anzufügen, warum ein solcher Optimismus angebracht sei und worauf er sich gründet (die „Erkenntnisse“) setzt der Autor mit dem nächsten Kapitel fort.
Und so sind dies knapp 400 Seiten, die immer wieder enttäuschen (obschon das Buch gegen Ende ein wenig besser wird). Brensing subsummiert unzählige Tieranekdoten zur ausgewählten Thematik, belässt es aber fast immer beim bloßen Erzählen und weist auch nur selten auf die enorme Problematik von Tierversuchen hin (das Kapitel „Forschungsfehler“ dient als Feigenblatt); er verweist auf zahlreiche Publikationen (die Tatsache, dass es überhaupt Fußnoten gibt, ist schon positiv), beschränkt sich aber fast immer auf das „Spektakuläre“ dieser Untersuchungen (und da es sich bei den Verweisen zumeist um englischsprachige Zeitschriften zur Verhaltensforschung handelt, ist dem interessierten Leser, dem im Regelfall diese Literatur nicht zur Verfügung steht, damit nicht wirklich geholfen). Im Vergleich zu dem hier kürzlich besprochen Buch von Mario Ludwig schneidet Brensing trotzdem noch sehr gut ab: Denn man spürt allenthalben, dass er die Kompetenz für eine fachlich ansprechende Behandlung des Themas besäße.
Den Epilog nutzt der Autor dazu, seiner Leserschaft, die er über die außergewöhnlichen Fähigkeiten (in geistiger, gesellschaftlicher, emotionaler Hinsicht) von Tieren informiert hat, ins Gewissen zu reden: Wenn Tiere denn all die beschriebenen Eigenschaften besitzen, scheint unser Umgang mit ihnen in moralisch-ethischer Hinsicht höchst fragwürdig. Daher plädiert er für ein „Persönlichkeitsrecht“ von Tieren – und fordert legitimerweise gänzlich andere Bestimmungen für Tierhaltung, ihre Behandlung in der Forschung oder ihr Recht auf Lebensraum. Bei Singer findet sich der Satz „Wenn es um Tiere geht‘, habe ich mir schon oft gedacht, ‚ist jeder Mensch ein Nazi“. Möglicherweise wird man in der Zukunft unsere derzeitige Einstellung zu Tieren tatsächlich auf eine ähnliche Weise sehen.
Das Buch ist eine vergebene Chance: Weniger wäre mehr gewesen, aber dann würden wohl auch die Verkaufszahlen anders ausfallen. Ich wünsche mir, dass einige Aspekte genauer und ausführlicher in einem noch zu schreibenden Buch behandelt werden – und könnte mir durchaus vorstellen, dass dies dem Anliegen Brensings nach einem verbesserten Tierschutz gut tun würde. Denn so erreicht man zwar mehr Menschen, läuft aber Gefahr, dass die eigentliche Aussage des Buches der ganzen, halblustigen und wenig ernsthaften Anekdoten wegen untergeht.
Karsten Brensing: Das Mysterium der Tiere. Was sie denken, was sie fühlen. Berlin: Aufbau 2017.