Friedrich Heinrich Jacobi: Schriften zum transzendentalen Idealismus

Interessant, interessant … Da wehrt sich Jacobi im Aufsatz David Hume über den Glauben oder Idealismus und Realismus. Ein Gespräch gegen die Interpretation, die ich seinem zwei Jahre älteren Werk Über die Lehre des Spinoza in den Briefen an den Herrn Moses Mendelssohn gab: Er habe nie David Hume als seinen Lehrer in Sachen ‘Sprung in den Glauben’ angegeben, ja diesen Sprung gar nie propagiert. Jacobi wird im weiteren Verlauf von David Hume über den Glauben… den Engländer rasch verlassen und sich Kant widmen. Er stellt sich dabei – und das wird sein Leben lang bleiben, auch wenn er später den Begriff kaum mehr braucht – als einen Realisten dar, d.h. als jemand, der die Meinung vertritt, dass Objekte existieren, die unabhängig von jeder Verfassung des (menschlichen) Bewusstseins (der Vernunft) ‘real’ sind. Er wird im Übrigen später seinen Sprung in den Glauben wieder bestätigen… Auch die Existenz Gottes ist für Jacobi hier wie sein Leben lang gegeben, wobei er dies hier abermals mit denselben Argumenten zu erweisen versucht, die er schon in seinen Schriften zum Spinozastreit verwendete.

Daneben aber bringt Band II der Werke Jacobis Schriften in jenem andern philosophischen Streit, den er sein Leben lang führte. Das beginnt mit dem zu seinen Lebzeiten unveröffentlicht gebliebenen Meine Vorstellungen, wo er bereits 1782, also lange vor dem Erscheinen von Fichte und Schelling, an Kants Kritik der reinen Vernunft kritisiert, dass sie sie Welt in reine Vorstellungen auflöse – ergo in Nichts. Danach der oben schon erwähnte David Hume über den Glauben… (1787) und eine (wenig sagende) Berichtigung eines philologischen; eines historischen; und eines pragmatischen Punktes in der Recension des Gespräches über Idealismus und Realismus, die ein Jahr später erschienen ist, und worin er sich vor allem dagegen verwahrt, eine Antikritik verfasst zu haben. Nur die Konsequenzen des Idealismus will er beschrieben haben. Auf den Aufsatz Ueberflüssiges Taschenbuch für das Jahr 1800 (logischerweise ein Jahr zuvor erschienen) folgt das berühmte Jacobi an Fichte (1799), wo sich nun sein Hauptgegner geändert hat: Fichte statt Kant. Jacobis Kritik am transzendentalen Idealismus bleibt: Sie führe zum Atheismus, zum Nihilismus. So auch in Ueber das Unternehmen des Kriticismus, die Vernunft zu Verstande zu bringen, und der Philosophie überhaupt eine neue Absicht zu geben von 1802 und den Drei Briefen an Friedrich Köppen von 1803. Einzig, dass sich zusehends Schelling und Hegel in sein Blickfeld bewegen – vor allem der erste, Hegel galt Jacobi offenbar eher als eine Art Vollzugsgehilfe Schellings. Was im Jahre 1803 auch noch mehr oder weniger der Fall war. Den Schluss von Band II macht die Einleitung in des Verfassers sämmtliche philosophische Schriften von 1815, wo Jacobi nochmals seine Position bekräftigt und bestätigt.

Diese seine Position gegenüber dem kritischen Idealismus von Kant und seinen Nachfolgern ähnelt in Inhalt und Form sehr derjenigen von Jean Paul, ohne dass Jacobi diesen wirklich zur Kenntnis genommen zu haben scheint. (Dafür wird – warum ist mir nicht klar – in den frühen Schriften immer wieder Matthias Claudius herangezogen.) Wie Jean Paul Richter versucht auch Jacobi immer wieder, Fichte (den vor allem) und auch Schelling durch Übertreibung und Satire ad absurdum zu führen, in der ganz frühen Schrift Meine Vorstellungen und dann spätestens in den Drei Briefen. Die Philosophiegeschichte ist über Jacobi hinweggerollt. Das wohl wegen des Umstands, dass es bei seinen Argumenten a) oft nicht klar ist, ob er sie nun satirisch einsetzt oder im Ernst, und b) er in seinem Rückgriff auf Gott Argumente vorbringt, die nach Kant nun in der Philosophie wirklich nicht mehr vorgebracht werden durften. Aber das sollte bei einem Mann, der als Kronzeugen seiner Meinung nicht nur einen Berkeley, sondern auch einen Pestalozzi und einen Lavater heranzog, nicht wirklich wundern.

Auffallend im Übrigen, dass Jacobi offenbar (fast) nur im Zwiegespräch philosophieren kann. Viele seiner Schriften zum transzendentalen Idealismus sind (ursprünglich echte) Briefe oder als (fiktiver) Dialog geschrieben.


Auch Buch II der Werke wurde in zwei Teilbänden ausgeliefert, wovon der zweite alle Bemerkungen und Erklärungen enthält, der erste nur den Text und alle kritischen Anmerkungen.

Friedrich Heinrich Jacobi: Schriften zum transzendentalen Idealismus. Unter Mitarbeit von Catia Goretzki herausgegeben von Walter Jaeschke und Irmgard-Maria Piske. (= ders.: Werke. Gesamtausgabe. Herausgegeben von Klaus Hammacher und Walter Jaeschke, Band 2,1 und 2,2.) Hamburg: Meiner / Stuttgart-Bad Cannstadt: frommann-holzboog, 2004

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