Johann Jakob Spreng: Allgemeines deutsches Glossarium. Ein historisch-etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Band 7. U – Z

Warum ich ein Glossarium, also ein Wörterbuch, bandweise von vorn nach hinten lese, habe ich in meinen Ausführungen zum ersten Band von Sprengs Glossarium bereits geschrieben. (Eigentlich „lese“ ich ja nicht. Ich blättere, lasse meine Augen über durch die Spalten schweifen, und wenn mir ein Wort als interessant auffällt, lese ich den Eintrag. Und natürlich lese ich viel mehr, als ich hier rapportiere.) In meinen Ausführungen zum ersten Band steht auch alles Nötige zur Entstehungs- und Publikationsgeschichte dieses Werks. Das werde ich also nicht mehr wiederholen.

Heute kommen wir nun zum siebten und letzten Band, U – Z. Dazu ist zu sagen, dass Spreng bei den Anfangsbuchstaben ‚U‘ und ‚V‘ so ziemlich auseinander hält. Dafür gibt es keine Lemmata mit ‚X‘.

Fangen wir an mit jenen Begriffen, für die wir heute Fremdwörter verwenden, für die aber Spreng (noch?) deutsche Wörter gefunden (oder vielleicht selber erfunden?) hat. Da ist zum Beispiel der:

*Überforscher, ein neues Spottwort, das einen Metaphysicum oder Urwesenforscher bedeuten soll.

Zumindest für einen Metaphysiker ließe ich mir dieses Wort gefallen …
Ähnlich geht es mir beim folgenden Wort:

*Zierredner, Kunstredner. Poggius hat den alten maisterlichen Zierredner Quintilianum der gar verloren was in eim closter beÿ Costnitz wider gefunden. (koburg. Chron. Bl. 242.)

À propos selber erfunden – hier gibt Spreng es sogar zu:

Verona Helvetiorum, die Stadt Bern in der Schweiz. So wird sie von mir genennet, weil ich darfür halte, daß sie ihren Namen nicht von einem Bären, wie die einfältige Fabel lautet, sondern daher, weil sie zur Nachahmung oder Nacheiferung des Dietrichberns erbaut worden, empfangen habe.

Nicht nur wegen des nachklappenden Satzteils eine gewagte Konstruktion.

Auch in der Naturforschung seiner Zeit kennt sich Spreng sehr wohl aus. So finden wir in diesem Band:

*ungebrochene Figuren; aclastae figurae; heissen beÿ Herrn von Leibniz diejenigen, durch welche die Lichtstrahlen ungebrochen hindurchfallen, ob sie schon in Ansehung des Stoffes, darein sie gebracht worden, die Strahlen wirklich brechen sollten. (matem. Lex.>em>)

Und:

*Wetteruhr; Engl. Wheel-barometer, ist eine Gattung Uhr, welche Robert Hooke erfunden, und die vermittelst eines herumgetriebenen Zeigers die Veränderungen des Wetters und der Luftschwäre viel genauer, als die gewöhlichen Wetterzeiger und Wettergläser, bemerket.

Nicht, dass er Poesie nicht auch kennte:

♀verblümen, mit Blumen schmücken – – – Frau Flora schläft nicht lange, nimmt diser Zeiten wahr, kömmt mit geschwindem Gange auf ihre Wiesen zu, verblümet Feld und Wald. (Flemm. Ged.)

Ein Beispiel für viele, wo Spreng die alten römischen Städtenamen mit den zeitgenössischen Orten in Verbindung bringt, meist ohne großen Kommentar:

Vitodurum,Winterthur, im Kanton Zürich.

Zum Schluss nochmals eine Spitze gegen einen Reformator, diesmal ist es „Huldrych“ Zwingli:

Uoli, heutzutage Ulrich, ist nicht Huldrich, wie es Einige auslegen; sondern es kommt her von Uol, Land, Grund; und Uoli bedeutet einen Ackersmann oder Bauer, der in der Erde schaffet; Ulrich aber einen Mann, der reich an Feldgütern ist. dem Uoli rufen, heisßt in der Schweiz unter den Bauern sich brechen, weil man darbeÿ gleichsam dem Unflate herausrufet. Uoli ist Eines mit Uolmann und Uol.

Noch heute sagen wir in der Schweiz (nicht nur die Bauern) spöttisch „äm Ueli rüefe“ wenn sich jemand in der Öffentlichkeit übergeben muss – meist nach Genuss von zu viel Alkohol. Und ob sich Jeremias Gotthelf bei der Suche nach einem Namen für die Hauptfigur zweier seiner bekanntesten Romane (Ueli der Knecht (1841) / Ueli der Pächter (1849)) der ihm von Spreng verliehenen Bedeutung dieses Vornamens bewusst war – immerhin spielen die beiden Romane im bäuerlichen Milieu –, wäre noch interessant zu wissen.

Summa summarum: Wir haben uns auch in Band 7 köstlich amüsiert. So, wie bei allen anderen Bänden auch. Aber nun ist auch gut, dass damit Schluss ist.


Heinrich Löffler (Hg.): Johann Jakob Spreng: Allgemeines deutsches Glossarium. Ein historisch-etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. Band 7. U – Z. In Zusammenarbeit mit Suzanne de Roche, unter Mitarbeit von Willy Elmer, Mathilde Gyger, Christof Meissburger und Michael Saave (Transkription), sowie Gabriel Schaffter (Recherche, Koordination). In Verbindung mit der Handschriftenabteilung der Universitätsbibliothek Basel unter der Leitung von Ueli Dill. Basel: Schwabe, 2022.

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