William Goldman: The Princess Bride [Die Brautprinzessin]

Auf grünem Hintergrund, schwarz auf gold, ein Mann mit schwarzem Augenband im Stile Zorros, in typischer Heldenpose mit Schwert in der Hand, in seinem anderen Arm die zu rettende Heroine. Im von mir gewählten Bildausschnitt sieht man nur einen Teil der beiden Gesichter und die Schwertspitze. - Ausschnitt aus dem Buchcover.

Der US-amerikanische Romancier, Dramatiker und Drehbuchschreiber William Goldman (1931-2018) hatte vor allem mit seinen Drehbüchern großen Erfolg. Er gewann zwei Mal einen Oscar. Es muss ihn ein wenig gefuchst haben, denn er sah sich vor allem als Romancier, der auch Drehbücher schreibt. Im Literarischen ist wohl – neben Marathon Man, einem Thriller – das vorliegende Werk am bekanntesten geworden. Er gewann damit zwar meines Wissens keine Preise (jedenfalls keine bekannten), aber das Buch war ein ziemlicher Verkaufserfolg und gilt heute als ‚Kult‘. (Es gibt auch einen Film dazu. Das Drehbuch schrieb Goldman selber, nachdem eine Kollege von ihm daran gescheitert war. Der Film gehört zwar nicht zu den berühmtesten, war aber ebenfalls recht erfolgreich – so erfolgreich, dass die deutschsprachige Wikipedia-Seite zum Roman für die obligate Zusammenfassung der Handlung auf den Film verweist. Wenn ich allerdings die Handlung des Films – in der Zusammenfassung von Wikipedia, ich habe ihn nicht gesehen – vergleiche mit der des Buchs, hat Goldman-Drehbuchschreiber ganz sicher an zwei Stellen das Buch ‚weichgespült‘: bei der Rahmenerzählung und am Schluss des Buchs. Die Rahmenerzählung ist eine ganz andere, und der Schluss des Films bringt genau dieses typische Hollywood-Happy-Ending, über das sich Goldman-Romancier lustig gemacht hat.)

Zunächst muss ich ganz allgemein festhalten, dass das Schreiben von Drehbüchern deren Verfasser:innen ganz eindeutig eine ungeheure Gewandtheit in metatextlichen Spielereien verleiht. (Ich erinnere an S. von J. J. Abrams und Doug Dorst, das ebenfalls von metatextlichen Spielereien wimmelt; auch J. J. Abrams ist Verfasser von Drehbüchern.) The Princess Bride nun besteht, wie schon gesagt, aus einer Rahmenerzählung und einer Binnenerzählung. Die Rahmenerzählung berichtet in Ich-Form davon, wie ein in New York lebender Drehbuchschreiber nach Hollywood fliegt, um dort über ein Drehbuch zu verhandeln. Während der Verhandlungen (nämlich mit einer attraktiven jungen Frau im Bikini am Swimming-Pool des Hotels) ruft ihn seine Frau an und erinnert ihn an den bald fälligen 10. Geburtstag seines Sohnes. Das wiederum erinnert den Ich-Erzähler an jenes Buch, aus dem ihm, dem 10-jährigen Kind, sein Vater regelmäßig vorgelesen hat: The Princess Bride von einem gewissen S. Morgenstern. Da er nun am 10. Geburtstag seines Sohnes nicht in New York sein kann, setzt er Himmel und Hölle in Bewegung, ihm wenigstens antiquarisch (denn das Buch ist seit langem vergriffen) eine Kopie dieses Buchs schenken zu können, damit er darin lesen kann. (Sein Sohn ist zu diesem Zeitpunkt kein großer Leser, übergewichtig und seinem Vater alles andere als zugetan et vice versa.) Wie der Vater dann nach Hause kommt, erfährt er, dass sein Sohn nicht über das erste Kapitel hinausgekommen ist. Das zweite habe er versucht, aber er habe es nicht geschafft. Das erzürnt den Vater nicht wenig, aber er beschließt, seine Kindheitseindrücke doch noch einmal mit eigener Lektüre des Buchs zu überprüfen. Und er muss mit Schrecken feststellen, dass sein Sohn Recht hat. Das erste Kapitel ist in Ordnung. Das zweite … Ja, es ist drin, woran sich der Ich-Erzähler aus den Lesungen seines Vaters erinnert. Aber bevor dieser Teil kommt, der ihm als Kind so gefallen hat, findet er rund 60 Seiten Text, der davon handelt, wie Prinz Humperdinck (der zukünftige Bösewicht) bzw. seine Familie in Florin (einem fiktiven europäischen Staat, „irgendwo zwischen Deutschland und Schweden“), ungefähr zur Zeit der Renaissance, an die Macht gekommen ist. Mit anderen Worten: Eigentlich ist S. Morgensterns Buch trockenste Geschichtsschreibung, reine Faktenhuberei. Der Ich-Erzähler realisiert, dass sein Vater all diese Stellen stillschweigend überschlagen und ihm nur die interessanten Teile vorgelesen hat. Er beschließt, genau das zu machen, was sein Vater gemacht hat, und S. Morgenstern’s Classic Tale of True Love and High Adventure seinerseits zu kürzen und das Buch so zu gestalten, dass es sein Sohn lesen kann – oder, wie es im Untertitel des Untertitels heisst: The ‚good parts‘ version, abridged by William Goldman. (Wobei wir aufpassen müssen: William Goldman, der Romancier, ist in vielem dem Ich-Erzähler der Rahmenerzählung sehr ähnlich; er ist aber nicht identisch. Zum Beispiel: Der Ich-Erzähler ist mit einer „berühmten Kinderpsychiaterin“ verheiratet. Aus dieser Ehe stammt der oben erwähnte übergewichtige und nicht sehr intelligente Sohn. Goldman, der Romancier, war zu der Zeit mit einer Photographin verheiratet und hatte mit dieser Frau zwei Töchter, über die wir weiter nichts wissen.)

Und so, wie er hier mit Fiktion und Realität spielt, spielt er auch mit verschiedenen literarischen Genres. Morgensterns Erzählung von wahrer Liebe und Abenteuer entpuppt sich bei der Lektüre durch den Ich-Erzähler als trockene Geschichtsschreibung. Die Liebesgeschichte wird immer wieder unterbrochen. Auch weist der Roman (im Gegensatz zum Film!) kein Happy Ending auf – die drei guten Helden und die Brautprinzessin können zwar zum Schluss dem bösen Prinzen vorerst entkommen, aber ob ihnen die Flucht endgültig gelingt, bleibt offen – zumal bei einem von ihnen die Wunden, die ihm ein anderer Bösewicht verpasst hat, wieder aufreissen und er zu verbluten droht. Der Ich-Erzähler, der immer wieder Kommentare einschiebt, warum er hier was wie gekürzt hat, muss zugeben, dass sein Vater beim Vorlesen hier einfach nur sagte, dass das Liebespärchen nun bis an ihr seliges Ende glücklich lebte. Die Verwandlung der Geschichtsschreibung in ein Kinderbuch, die der Vater vorgenommen hat, wird also widerrufen. Am ehesten passt noch die Einteilung als Abenteuerroman (Untergattung ‚Mantel und Degen’) mit Fantasy-Sprenkeln, und man kann das Buch an der Oberfläche problemlos als solchen lesen. (Ich vermute, dass die Verfilmung genau diesen Aspekt – wahrscheinlich zusammen mit der für Hollywood obligatorischen Liebesgeschichte – in den Vordergrund gestellt hat.)

Am Schluss des Romans ist meiner Ausgabe noch das erste Kapitel einer Fortsetzung angefügt, die derselbe Ich-Erzähler später gefunden haben will. Allerdings stehen unterdessen er und sein Verlag in juristischen Auseinandersetzungen mit den Erben Morgensterns, vertreten durch ein New Yorker Anwaltsbüro. Er kriegt die Übersetzungsrechte nicht, die gehen an Stephen King. Er besucht King in seinem Zuhause und erreicht immerhin, dass er das erste Kapitel des Buchs übersetzen und herausgeben darf. (Darin zeigt sich übrigens, dass das Happy Ending des Films tatsächlich im Buch keines war; den vier Verfolgten gelingt es mit Mühe und Not, sich auf eine einsame Insel zu retten, wo Buttercup’s Baby, das der Fortsetzung den Titel gegeben hat, unter großen Schwierigkeiten zur Welt kommt. Buttercup ist dabei der Name der Brautprinzessin, des ‚Love Interest‘ des einen Helden, Westley. Auch in diesem „ersten Kapitel“ haben wir wieder dieselben Zusammenstellungen von Unwahrscheinlichem, dieselben satirischen Zwischenrufe aller Beteiligten, dasselbe parodistische Spiel mit literarischen Versatzstücken. (Nebenbei: Da es weder Florin noch Morgenstern je gab, ist wohl klar, dass es nicht nur keine Urheberrechts-Streitigkeiten gab, sondern auch kein zweites aufgefundenes Buch und keine Vergabe der Übersetzungsrechte an Stephen King. Tatsächlich war es so, dass Goldman gern ein zweites Buch über Buttercup & Co. geschrieben hätte, ihn aber seine Inspiration nach dem ersten Kapitel im Stich ließ.)

Zusammen mit (und – für mich jedenfalls – vor allem wegen) den / der satirischen Zwischenrufen beider ‚Autoren‘, des Ich-Erzählers wie Morgensterns, die auch immer wieder den Charakter einer Erzählung verändern, ja persiflieren, stellt das Buch durchaus einen Lesegenuss dar. Einen tieferen Sinn wird man wohl nicht darin zu suchen brauchen, aber das ist ja auch nicht bei jedem Buch notwendig.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert