Zu den Autorinnen: Kerstin Ehmer ist Co-Inhaberin der Victoria Bar in Berlin; Beate Hindermann agiert daselbst als Barfrau. Beiden wurde diese Karriere wohl nicht an der Wiege gesungen, und wohl noch nicht einmal während ihres Studiums. Ehmer studierte ursprünglich Theater- und Filmwissenschaften, Amerikanistik und Philosophie in Berlin und machte dann eine Ausbildung zur Fotografin. In den Neunzigerjahren arbeitete sie als Reportagejournalistin und Lifestylefotografin, erst 2001 eröffnete sie gemeinsam mit ihrem Mann die Berliner Victoria Bar. Unterdessen schreibt sie auch Kriminalromane um den Kommissar Spiro in Berlin. Hindermann ihrerseits stammt aus Köln, studierte dann Germanistik und Geschichte in Berlin. Sie gehört ebenfalls zu den Gründerinnen der Victoria Bar und fungiert unterdessen als Jurorin diverser Bar- und Keeper-Competitions.
Vielleicht war es die ursprünglich akademische Ausbildung der beiden, die die Victoria Bar bewog, sieben Semester lang eine Vorlesungsreihe zu verschiedenen alkoholischen Getränken durchzuführen. Diese Vorlesungen wurden im vorliegenden Buch zusammengestellt, das dann 2018 im Verbrecher Verlag in Berlin erschien. Vor mir liegt eine von Ellen Wagner illustrierte Lizenzausgabe der Büchergilde von 2023.
Nun spricht der Werbetext auf dem hinteren Buchdeckel der Büchergilde-Ausgabe von einer Kulturgeschichte rund um Brandy, Wodka, Whisky, Rum, Gin, Tequila und Champagner, aber das ist cum grano salis zu nehmen. Zwar wäre es theoretisch sicher möglich gewesen, dass die beiden Akademikerinnen ein akademisches Buch über gebrannte Wasser hätten verfassen können – vielleicht etwas Ähnliches wie das Buch von Schivelbusch: Das Paradies, der Geschmack und die Vernunft (das ich im tatsächlich vorhandenen Literaturverzeichnis allerdings schmerzlich vermisse).
Was wir vor uns haben, zielt allerdings auf ein weniger historisch interessiertes Publikum. Die oben genannten Spirituosen deuten es Kennern und Kennerinnen wohl schon an: Die Vorlesungen behandeln neben der eigentlichen Geschichte der jeweiligen Feuerwasser vor allem die Geschichte von deren Verwendung in Mix-Getränken – vulgo Cocktails. Ausflüge in die eigentliche Geschichte werden unternommen, und ich rechne es den beiden Autorinnen hoch an, dass sie zum Beispiel bei der Geschichte des Rums den wenig ruhmreichen Einsatz von aus Afrika importieren Sklaven in der Zuckerrohr-Produktion keineswegs verschweigen. Vieles aber bleibt halt rein anekdotisch. Ob nun die Entspannung zwischen den beiden deutschen Staaten tatsächlich damit in Gang gesetzt wurde, dass der damalige regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, seinerseits den Spirituosen keineswegs abhold, nach Verzehr einer Büchse Ölsardinen, in offizieller Mission nach Berlin-Ost reiste, um sich dort mit russischen Regierungsvertretern zu treffen, die ihrerseits größere Mengen Wodka mitbrachten und dem regierenden Bürgermeister aufdrängten, der aber mithalten konnte und so die Russen beeindruckte – ob diese Anekdote tatsächlich stimmt, kann ich nicht beurteilen. Es fehlen leider alle Quellenangaben.
So haben wir hier ein unterhaltsames Werk über gebrannte Wasser, Cocktails, das Trinken und auch den Alkoholismus vor uns, das manchmal – wie zum Beispiel oben bei den so trinkfesten Russen – klassische Vorurteile kolportiert, aber im Großen und Ganzen immer amüsant ist, im Kleinen und in Details auch öfter mal sehr instruktiv.
Das Buch geht insofern an mir vorbei, als ich bekennenderweise Mix-Getränke nicht mag. Selbst Gin verköstige ich am liebsten pur. Viele der genannten Cocktails kenne ich vom Namen her, die wenigsten habe ich probiert. So kann ich auch dem Anhang mit alphabetisch sortieren Cocktail-Rezepten wenig abgewinnen. Immerhin muss ich gestehen, dass ich, verführt von diesem Buch, neulich im Urlaub zugriff, als unser Hotel einen einstündigen Crash-Kurs im Mixen von Cocktails anbot. Der Kurs hat meine Achtung vor Cocktails tatsächlich etwas erhöht; allerdings habe ich auch gelernt, dass ein Selber-Mixen für mich eher weniger in Frage kommt. Nicht nur, weil mir alle wichtigen Instrumente dafür fehlen (inklusive der gebrannten Wasser!), mir fehlt auch die Geduld, mit der unser Lehrer Gurken säbelte oder Limetten schälte und die Schale dem Glas um die Ohren schlug. Über die Resultate urteile ich nun aber weniger negativ als auch schon.
Nachtrag: Das Buch ist, wie jeder Alkohol, mit Zurückhaltung zu genießen. Ansonsten bietet es aber für Interessierte auch die Möglichkeit, die eine oder andere Anekdote, den einen oder anderen Wissensbrocken, im Small Talk an der Bar zum Besten geben zu können. (Persönlich sind mir Bars und Small Talk ja eher unangenehm.) Und natürlich, so man die mag, selber Cocktails zu mixen.